iO European one-week summer intensive in London

iO steht für „improv olympics“ und ist der Name einer der weltweit bekanntesten Impro-Institutionen (Theater & Schule) aus Chicago, die 1981 von Del Close und Charna Halpern gegründet wurde. Jedes Jahr im Sommer veranstatet das iO in Chicago einen fünf-wöchigen Impro-Kurs (den sogenannten „iO Five Week Summer Intensive„, an welchem macro dieses Jahr teil genommen hat – mehr dazu hier). Der Haken an der Sache: Fünf Wochen bekommt man als Arbeitnehmer schwerlich am Stück frei, und Anreise, Übernachtung und Kursgebühr machen das Five Week Summer Intensive zu einem teuren Spaß. Darum hat man sich beim iO überlegt, dieses Jahr erstmalig eine „abgespeckte“ Variante des Summer Intensive in Europa, genauer gesagt, in London anzubieten! Als ich davon erfuhr, habe ich nicht lange gezögert und mich umgehend dort angemeldet. Vorne noch einen kleinen Urlaub mit meinem Freund ran gehangen, und fertig war die Laube. Am 29. August ging es für mich also los nach London, und am 8. September startete offiziell der erste iO European One Week Summer Intensive mit einem Meet & Greet im Londoner „Nursery Theater„. An diesem Abend bekamen wir einen tollen Armando mit Charna Halpern in der Rolle des Armando zu sehen, deren Monologe mein Leben nachhaltig verändern sollten. Ferner gab es eine hinreißende improvisierte Puppen-Show (Glitch – The Improvised Puppet Show), gefolgt von einer kurzen Vorstellung der fünf Trainer (Colleen Doyle, Lindsay Hailey, Tara DeFrancisco, Jet Eveleth und Charna Halpern herself).

Am nächsten Morgen ging es dann mit den Workshops los (fünf Workshops mit je ca. 20 Teilnehmern). Ich hatte die große Freude, die großartige Colleen Doyle als Trainerin für die nächsten fünf Tage haben zu dürfen (obwohl ich mir sicher bin, dass keine der anderen vier Ladies ihr in irgendeiner Hinsicht in irgendetwas nach stand). Die Idee des Kuses war, das, was sonst in Chicago in fünf Wochen Summer Intensive unterrichtet wird, in einer Woche grob zu umreißen, was zugegebenermaßen ein recht ehrgeiziges Ziel ist. Dennoch waren wir als Gruppe am Ende der Woche in der Lage, einen (strukturierten) Harold auf die Bühne zu bringen. Und meine Gruppe, mit Teilnehmern aus Deutschland, Österreich, Finnland, Dänemark, Ungarn, den USA und (natürlich) Groß-Britannien, war absolut großartig!

Am Montag fingen wir mit simplen Übungen zum Thema „Akzeptieren“ an. Da die Gruppe jedoch durchgängig aus Leuten bestand, die alle mindestens zwei Jahre Impro-Erfahrung hatten, haben wir den Teil zum Akzeptieren abgekürzt und sind bereits am Montag zum Thema „Character“ übergegangen, indem wir z.B. Figuren – Gruppen – definiert haben und anschließend mit Übungen wie „Cocktailparty“ mit dem Schwerpunkt „Fokuswechsel“ auf der Bühne brachten. Am Dienstag haben wir dann weiter am Thema „Character“ gearbeitet mit Übungen wie „aus einem Mund sprechen“ oder dem Klassiker „Tannenbaum„. Hierbei lag Fokus eindeutig darauf, (vor allem die anderen) Figuren klar zu definieren, bei seinen einmal gemachten Entscheidungen zu bleiben („stick to your choices“) und Mehrdeutigkeit zu vermeiden („be as specific as possible!“) – denn Eindeutigkeit schafft Sicherheit, nicht nur für einen selbst, sondern auch für die Mitspieler.

Am Mittwoch haben wir dann einige Übungen gemacht, die mir am nachhaltigsten im Gedächtnis geblieben sind. Der Fokus in unserer Gruppe lag nun auf dem Thema „Group mind“, und wir haben eine wundervolle Gruppen-Übung gemacht, die ich „Kaleidoskop“ getauft habe (der Englische Name war „Busby Berkley“ oder so ähnlich), sowie gemeinsam Objekte auf der Bühne gebaut („Oh Mighty Isis“), wobei die Aufgabe auf dem Ergänzen dessen, was bereits da war, lag. Der Nachmittag verging mit einer Übung mit dem schönen Titel „Good morning, Fuckos“, in der es ebenfalls um das Bespielen von Räumen ging, den Tag abgeschlossen haben wir mit „The Porch Exercise“ (absolut großartig, sowohl als Spieler wie auch als Zuschauer), in der 5 – 6 Spieler über eine einfache handwerkliche Tätigkeit Zug um Zug definieren, wer sie sind, wo, und worum es gerade geht. Ich möchte an dieser Stelle davon absehen, alle genannten Übungen im Detail zu beschreiben. Wer daran Interesse hat, kann mich gerne kontaktieren.

Der Donnerstag stand dann unter der Überschrift „Scene Work“. Auch hier der Fokus wieder: Gebt Euch Namen! Benutzt Namen anstatt von Pronomen (er, sie, es)! Um zu vermeiden, dass Szenen „Herumeiern“, galt es erneut, Entscheidungen zu treffen: Wie steht diese andere Figur zu meiner Figur? Was will er/sie mir wirklich sagen? Und was löst das bei mir aus? Wir haben dann mit kurzen drei-Satz-Szenen zu zweit angefangen, wobei zu berücksichtigen galt, dass der zweite Satz ALLES definiert (der erste Satz ist quasi ein „unverbindliches Angebot“), und der dritte Satz lediglich die emotionale Reaktion auf den zweiten Satz ist. Der Rest des Tages verging ebenfalls mit Zweier-Szenen, allerdings diesmal etwas längeren, in denen es wirklich um etwas ging (Vorbild hier war die Show von TJ und Dave aus Chicago). Hier waren alle Szenen DER KNALLER, es gab keine Szene, die nicht in irgendeiner Weise toll, witzig, anrührend oder alles zusammen war. Eine Szene rührte mich sogar zu Tränen.

Der letzte Tag (Freitag) verlief dann etwas anders, als ursprünglich geplant: Charna wurde am Donnerstag Abend ihre Handtasche inklusive Pass, Geld und Kreditkarten gestohlen, so dass die Trainer beschlossen hatten, die Workshop-Gruppen nachmittags gemeinsam im Nursery Theater Harolds spielen zu lassen um Charna entsprechend bei dem bürokratischen Marathon unterstützen zu können. Der Vormittag verging dann damit, dass wir die ersten Harolds auf die Bühne gebracht haben, und – was soll ich sagen – alle drei Harolds, die in meiner Gruppe gespielt worden, waren großartig! Und auch die nachmittags im Nursery gespielten Harolds und Armandos waren toll! Dem voran ging ein kollektives Warm-up mit ca. 70 Spielern, angeleitet von Tara DeFranciso. Da an diesem Tag typisches Londoner Wetter herrschte (es goß in Strömen!!) fanden sich im Nursery nur drei der fünf Workshop-Gruppen ein, und dennoch hat es super funktioniert, mit den Spielern der anderen beiden Gruppen etwas auf die Bühne zu bringen.

Unter der Woche gab es jeweils neben dem Workshop, der tagsüber statt fand, abends an mindestens einer Location auch Shows anzuschauen. Auch hier habe ich einige wirklich Perlen gesehen (mein persönliches HIghlight: Die „Confessions Show“ der Brightoner Gruppe „The Maydays„). Zwischen Workshop-Ende und Shows landete ein Großteil der Spieler meiner Gruppe regelmäßig im unten an unsere Probebühne angrenzenden Pub „The Miller„, wo wir den vergangenen Workshop-Tag Revue passieren ließen, oder ganz allgemein über das Thema Impro quatschten. Gerade hier habe ich einige Gespräche geführt, die mich nachhaltig beeinflussen und inspirieren sollten. Mittags gab es in der näheren Umgebung mannigfaltige Möglichkeiten, sich zu versorgen, wobei ich hier ganz besonders den Borough Market mit seiner vielfäligen Auswahl an Marktständen hervor heben möchte.

Insgesamt war das iO One-Week European Summer Intensive eine absolut großartige Erfahrung, die ich jedem ans Herz legen kann, und ich überlege bereits, nächstes Jahr wieder dorthin zu fahren. Was mich besonders beeindruckt hat, ist der Spirit, der Geist, mit dem in Chicago unterrichtet wird: Let’s treat each other as geniuses, poets and artists! Denn nur, indem wir uns so behandeln, können wir auch wirklich dazu werden.

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