Impro ist Teamwork.

Impro ist Teamwork.

Das klingt wie die trivialste Wahrheit überhaupt, ist aber oft nicht selbstverständlich. So auch nicht in meiner Impro-Gruppe. Impro ist ein Teamsport wie kaum ein anderer. Die Spieler und ihre Aktionen greifen idealerweise wie Zahnrädchen ineinander. Damit das passieren kann, braucht es jede Menge Vertrauen. Mit Vertrauen meine ich zum Beispiel: „Ich vertraue, dass wenn Du meine Szene unterbrichst oder abbrichst,  das nicht als Kritik an mir und meinem Spiel meinst.“ Viele von uns Menschen (ich allen voran) tendieren dazu, in fast jeder Handlung oder Interaktion eine implizite Beziehungsbotschaft abzulesen, denn mindestens 50% des Inhalts einer Kommunikation (und ich betrachte jedes Verhalten, jede Handlung in diesem Sinne als „Kommunikation“) werden vom Empfänger und dessen Denk- und Wahrnehmungsmustern bestimmt, und nur 50% vom Sender. Und leider lesen wir häufig negative Beziehungsbotschaften in etwas. Und so passiert es schnell, dass Groll und Unmut da sind und nicht darüber gesprochen wird. Bei uns war es z.B. so, dass selten über „Befindlichkeiten“ gesprochen wurde, und in einer kürzlich geführten Gruppendiskussion kam eine regelrecht negative Konnotation dieses Wortes „Befindlichkeit“ an den Tag. Warum eigentlich? Ich bin jemand, die gerne und viel über ihre Befindlichkeiten redet, denn wenn ich das nicht tue, ziehe ich innerliche Schlüsse und Werturteile, die für den anderen oder mich nicht immer hilfreich sind. Mir hat das wirklich gefehlt, habe ich gemerkt, denn für mich ist das wichtig, um den „zwischenmenschlichen Kitt“ in einer Gruppe aufzubauen, den Halt unter- und miteinander.

Klar, wir treffen uns eigentlich, um Impro zu machen, aber hier beißt sich die Katze in den Schwanz: Eben weil Impro ein Teamsport ist wie kein anderer, ist der zwischenmenschliche Kitt so wichtig. Eigentlich finde ich, fast wichtiger als alles inhaltliche Trainieren und Üben am Impro selber, denn wenn das „zwischen den Spielern“ nicht stimmt, können ihr Spiel und ihre Aktionen nicht wie Zahnrädchen auf der Bühne ineinander greifen, dann rumpelt es eben auch auf der Bühne. Dieses Rumpeln kann man mit guten Ideen, Gags und schauspielerischem Geschick recht gut ausbügeln und dennoch unterhaltsame Shows spielen. Nur das eigentlich „teamige“, das Erschaffen einer neuen Realität gemeinsam in dem Moment auf der Bühne, bleibt dabei auf der Strecke.

Die wenigsten von uns (jedenfalls ist das bei uns in der Gruppe so) sind mit einem Selbst- oder Weltvertrauen (ist für mich eigentlich das gleiche) gesegnet, das sie die Welt und die anderen nur durch eine rosarote Brille sehen lässt und alle deren Handlungen stets wohlwollend und wertschätzend interpretiert. Meistens sind wir skeptisch und wittern Ablehnung und Urteil (das gilt in zehnfachem Maß übrigens nochmal für schriftliche Kommunikation via E-Mail). Sonst ergäbe sich dieser „Kitt“ ja automatisch und es wäre nicht so ein Thema. Und genau deshalb müssen wir darüber sprechen! Oder zumindest ICH muss bzw. möchte darüber sprechen, um die Missverständnisse, die in meinem Kopf entstehen, das, was ich sonst an Motiven usw. in DICH rein projiziere, klar zu stellen und aus dem Weg zu räumen! Um Dich zu verstehen! Und deshalb brauche ich diese Art „Metakommunikation“ über die Kommunikation. Das ist nicht bei jedem so, manche – auch bei uns in der Gruppe – sind freier von solchen Verhaltensmustern, als andere, und bedürfen daher solcher Befindlichkeitsaustausche und Klärungen weniger. Für sie fällt das eher unter die Kategorie „Zeitverschwendung“ und sie würden lieber wieder am Inhaltlichen arbeiten. Aber, um den Kreis abermals zu schließen: Das Vertrauen untereinander ist für das Zusammenspiel essentiell, und hier sind wir eben nicht alle gleiche „pragmatisch“ orientiert, sondern einige „pragmatischer“ (verstandesmäßiger – „ich möchte lediglich die Sache selbst üben, das Handwerk – das gute Zusammenspiel ergibt sich schon durch fortschreitende Beherrschung des Handwerks bei jedem einzelnen“) und andere „befindlicher“ (gefühlsmäßiger – „ich brauche ein gewisses Verbundenheitsgefühl zur und mit der Gruppe, um an der Sache selbst üben zu können, nur so kann ich mich auch im Handwerk verbessern“). Es gibt hier kein Richtig oder Falsch, keine Formel, wie eine Gruppe das gut für sich lösen kann. Die „Wahrheit“ ™ erschaffen hier die Beteiligten miteinander.

Unser Zusammenspiel und damit unsere Shows sind über die letzten Monate viel besser geworden, finde ich. Und das hängt meinem Empfinden nach auch damit zusammen, dass wir einander mehr und mehr vertrauen. Und mit Vertrauen meine ich: „Ich vertraue, dass Du mich prinzipiell magst und akzeptierst, wie ich bin, und mich nicht ändern willst.“ Wenn diese Grundhaltung gegeben ist, dann werden Aussagen auch nicht mehr so schnell auf der Beziehungsebene interpretiert, und man kann auch mal rumalbern und „rumarschen“, ohne dass es gleich als Angriff empfunden oder an der prinzipiellen Verbundenheit und Wohlwollen der anderen gezweifelt wird.

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One thought on “Impro ist Teamwork.

  • By Markus - Reply

    Oh ja… das Zwischenmenschliche ist sooooo wichtig!
    Nicht nur in einer Impro-Gruppe, sondern auch auf der Arbeit.
    Im alltäglichen Arbeitsstress geht das Persönliche leider sehr oft verloren… es wird als gewisse „Zeitverschwendung“ angesehen, wenn man mal einem Kollegen zum Geburtstag gratulieren geht oder so.
    Ich nehme mir stets die Zeit dazu, auch wenn dann hier und da mal gespottet wird, wann ich denn mal wieder arbeite. 🙂
    Für mich ist das wichtig! Ein Grundbedürfnis.

    Bei einem Impro-Kurs (10 Mal donnerstags) war es so, dass man gar keine Zeit unter den Teilnehmern hatte, sich mal kennenzulernen.
    Zum Kurs kam der Großteil erst kurz vor knapp, und nach Kursende waren die meisten schnell weg. Eine kurze Pause während des Kurses wurde nicht gemacht.
    Erst am letzten Abend waren wir dann zusammen einen trinken, und da hat man sich erst ein wenig besser kennengelernt.
    Das fand ich eigentlich sehr bedauerlich…

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