Impro ist Kommunikation im Vergrößerungsglas

Hach, gerade merke ich wieder, wie sehr ich Impro doch liebe!! Wie schon manchmal war es leider eine der nicht so gelungenen Shows, die mir einige interessante Aha-Erlebnisse beschert hat. Das tut mir Leid für meine Kollegen von den Improbanden, die teils sehr niedergeschlagen waren, aber auf der positiven Seite bieten diese Gelegenheiten einige exzellente Learnings! Da ich an besagtem Abend noch mit den Ausläufern einer Erkältung zu kämpfen hatte, habe ich in der Show nicht mitgespielt und bin in die Rolle des Zuschauers geschlüpft; diese Möglichkeit, das Ganze aus der Außenperspektive zu betrachten, hat mir einige noch interessantere Einsichten ermöglicht, als ich sie vielleicht als Mitspieler gehabt hätte.

Wie ich schon früher einmal geschrieben habe, bedeutet Impro für mich den Umgang mit Ambivalenzen. Wenn wir in einer neuen Szene nicht schon direkt nach dem Aufgang klipp und klar definieren, wer wir sind, wo wir sind und was unsere Beziehung zu der anderen Figur ist, haben wir immer ein bestimmtes Maß von Ambivalenz mit dem wir umgehen müssen und das zu Missverständnissen und „Fehlern“ führen kann (genau wie es im wirklichen Leben ja auch ist). Im Impro bietet sich uns nun die wunderbare Möglichkeit, dies im Moment zu klären, indem man Fehler offen (in der Rolle / Figur!) anspricht: „Was tust Du da? Ich verstehe es nicht!“ – „Oh je, wenn schon Du als mein bester Freund nicht verstehst, was ich hier mache, wie soll ich dann jemals ein guter Flugbegleiter werden?“

Von da an nimmt die Szene möglicherweise einen anderen Verlauf, als beide Spieler sich das bei ihrem Aufgang gedacht haben – bereits im Kopf vorbereitete Pläne und Szenenabläufe sind also nutzlos. Und das ist auch etwas, das ich so wunderbar finde! Das Leben (bzw. das Impro) bietet uns manchmal Gelegenheiten, die wir uns nicht hätten ausdenken können; es ist wunderbar, wenn man darauf aus dem Moment heraus reagiert und die Sachen weiter führt; das ist der Zustand, den ich auf der Bühne als „Flow“ wahr nehme, und den ich mit meinem Spiel erreichen möchte.

Gleichzeitig trainiert es den spielerischen, leichten Umgang mit „Fehlern“. „Scheiter heiter“ ist der Impro-Grundsatz, der für mich die längste Zeit die größte Herausforderung dargestellt hat; aber langsam komme ich dahinter, was damit eigentlich gemeint ist. Es bedeutet im Grunde einen spielerischen Umgang mit unseren Fehlern. Wenn ein „Fehler“ passiert, ist dies eben kein Weltuntergang, sondern kann ein wunderbarer Impuls sein, der der Szene und der Geschichte eine ganz neue Wendung gibt. Im Gegenteil, es ist nicht nur kein Weltuntergang, sondern diese „Fehler“ ermöglichen es uns erst, unsere am Bühnenrand möglicherweise vorgefertigten Pläne über Bord zu werfen und wirklich im Moment zu sein, im Flow.

Hierzu wird der Fehler jedoch nicht „unter den Teppich“ gekehrt, sondern öffentlich gemacht und als Impuls / Input für die weitere Szenengestaltung genutzt. Das Publikum hat „den Fehler“ sowieso bemerkt und findet es um so toller, wenn wir ihn in das Geschehen einbauen, so dass er sich nahezu nahtlos einzufügen scheint. Das ist die Magie des Impro-Theaters für Zuschauer und Spieler. Und diese fordert ein hohes Maß an Konzentration und Aufmerksamkeit von den Spielern. Daher ist es wichtig, nach Möglichkeit immer 100% Energie zu geben. Ich rate daher davon ab, krank (erkältet) oder angetrunken auf die Bühne zu gehen.

Wie ja hier bereits gesagt, hilft es, so klar wie möglich zu sein, um bestimmten Fehlern und Missverständnissen vorzubeugen. D.h. meinen Mitspielern klar und deutlich zu machen, ob ich auf der Bühne oder im Off bin. Mich bei Abgängen nicht zögerlich „davon zu schleichen“, und wenn doch, dann dies klar machen („Ach Freund, ich bin so niedergeschlagen / müde / gebrechlich und gehe mich etwas hinlegen.“), so dass klar ist, dass nicht der Spieler zögerlich von der Bühne schleicht, sondern die Figur.

Auch hier ist Impro wieder ein Vergrößerungsglas für (Alltags-)Kommunikation, in der es hilft, seinen Mitmenschen gegenüber klar zu sein und ihnen klar zu machen, was man will (so man dies denn selber weiß – was häufig wohl die größte Herausforderung darstellt).

Um einem Missverständnis vorzubeugen: Zu klar sein ist langweilig („Hallo Roswita, meine geliebte Ehefrau, wie geht es Dir hier in unserem Wohnzimmer an unserem 25. Hochzeitstag?“). Hin und wieder eingestreut sind solche Szenenanfänge witzig, weil sie mit der Übertreibung spielen. Aber wenn jeder Spieler permanent klipp und klar verbalisiert, wer die Figuren sind und wo sie sich befinden, wird es dröge. Impro ohne Ambivalenzen ist langweilig (ganz abgesehen davon, dass es glaube ich ziemlich unmöglich ist). D.h. wir brauchen diese Unklarheiten, diese „Fuzziness“, die uns die Fehler und Missverständnisse ermöglicht, aus denen etwas Neues entstehen kann. Wir müssen lediglich lernen, damit umzugehen, und diese nicht auf der Bühne „abzustrafen“, indem uns unsere Gesichtszüge entgleisen oder wir unsere Mitspieler möglicherweise sogar noch berichtigen; sondern offen sein, Unklarheiten und Fehler (spielerisch) ansprechen, den eigenen Plan über Bord werfen und sich auf etwas ganz Neues einlassen! Genau wie im Leben! 🙂

Wenn der Mitspieler offenbar gerade auf dem Schlauch steht und nicht erkennt, was man macht: Nicht ärgerlich mit ihm sein, dass er es nicht versteht, obwohl man es doch so deutlich macht, sondern ihm helfen, indem man es ihm erklärt – nicht „vorwurfsvoll“ da ran gehen („Er ist so blöd, dass er es nicht peilt!“ – „Es war voll unklar, was er gemacht hat!“), sondern wertschätzend („Er steht auf dem Schlauch, das tut mir Leid, ich muss ihm helfen!“ – „Er tut irgendwas, aber ich habe absolut keine Ahnung, was es ist – ich werde mal fragen!“)

Eine besondere Rolle kommt hier in der Show der Moderation zu: Diese sollte idealerweise besonders klar sein im Auf- und Abgehen, aber auch in der Kommunikation. D.h. Ambivalenzen möglichst vermeiden und so klare Ansagen machen, wie möglich. Die Spieler sollten ihrerseits diese Rolle anerkennen und den Moderator nicht korrigieren oder anfangen, mit ihm zu diskutieren (auch hier bestätigen Ausnahmen natürlich die Regel, denn auch ein Moderator kann mal auf dem Schlauch stehen und etwas vergessen und auf die Hilfe seiner Mitspieler angewiesen sein). Man sollte sich jedoch bewusst sein, dass jeder Widerspruch ggü. dem Moderator dessen Position schwächt und es ihm schwer macht, klar zu sein / zu bleiben, was ich als eine seiner Hauptaufgaben ansehe: Er hat die Aufgabe, den Fahrplan / den Ablauf den Zuschauern klar zu kommunizieren, ohne gleich alles zu verraten und es zu deutlich zu machen, denn dann wird es langweilig. Jede Show braucht Überraschungsmomente. Auch die Zuschauer haben ein Recht darauf, ins kalte Wasser geworfen zu werfen und etwas Unerwartetes zu erleben. Wie viel man vorher schon preis gibt und was man nicht ansagt, darüber gibt es bei uns immer viel Diskussion. Es gibt hier kein Richtig oder Falsch, diese Dinge sind komplett kontext-sensitiv und können nur „nach Gefühl“ entschieden werden – was es noch schwieriger macht, da jeder eben ein anderes Gefühl hat.

Gibt es eine Regel für den Einsatz von oder bestimmte Gags, die der Moderator auswendig lernen kann? Nein, auch die gibt es nicht. Der Moderator muss sich komplett auf sein Gefühl verlassen und extrem präsent und im Moment sein, um Stimmung und Angemessenheit von „Sprüchen“ und Rumfrotzeleien abschätzen zu können – und kann damit natürlich auch mal daneben liegen. Sätze wie „Schön, Sie alle da geblieben und nicht in der Pause nach Hause gegangen sind!“ können witzig sein, wenn die Stimmung im Publikum (und bei den Spielern!) aus der ersten Hälfte heiter und ausgelassen ist. Wenn die Stimmung eher moderat, oder sogar besinnlich ist, wirkt so ein Spruch unpassend. Ähnlich ist es um das Rumfrotzeln des Moderators mit den Mitspielern bestellt: Ist die Stimmung zwischen den Spielern gut und ausgelassen und klar, dass es sich um Spaß handelt, können solche Rumfrotzeleinen untereinander für das Publikum sehr amüsant sein.

Nicht jeder kann es sich erlauben, wie Kurt Krömer sein Publikum zu verarschen. Tendenziell würde ich von Gags und Sprüchen, die auf Kosten des Publikums gehen, eher Abstand nehmen und meine Zuschauer mit Respekt und Wertschätzung behandeln. Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel, wie Kurt Krömer ja anschaulich demonstriert.

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One thought on “Impro ist Kommunikation im Vergrößerungsglas

  • By Markus - Reply

    Ein toller und lehrreicher Beitrag! Danke! 🙂

    Schon in meiner ersten Impro-Kursstunde habe auch ich mich verliebt und bin mit dem Virus infiziert worden.

    Dass man seinen Mitspielern ggf. mal helfen sollte (muss), habe ich auch schon erfahren. Eine Mitspielerin hatte wohl mal kurz auf der Bühne „geschlafen“, da habe ich ihr schnell aus der Patsche geholfen.
    Ich bin mir sicher, ich benötige auch irgendwann mal fremde Hilfe.
    Wenn man das spielerisch lösen kann, dann sollte man es unbedingt tun.

    Fehler sind ja auch oft lustig, und man sollte auf jeden Fall auch über seine eigenen Fehler lachen, auch wenn es schwerfällt, und man sich geärgert hat.

    Ich lache sehr gerne! Auch über mich… 🙂

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