Muster

Ich weiß nicht, warum, aber aus irgendeinem Grund sucht mein Verstand immer und überall nach Mustern – nach gleichförmigen, reproduzierbaren Strukturen in den unterschiedlichsten Dingen und Kontexten. So auch im Impro. Dort habe ich jüngst (in den letzten Stunden) folgende „Epiphany“ gehabt, was die Muster angeht, indem mir folgende zwei Grundmuster klar geworden sind:

1. Es geht die ganze Zeit darum, das im Alltag so vertraute und oft gesehene (ob bei pubertierenden Kids in der U-Bahn oder auf Regierungs-Ebene in manchen Staaten) Muster von Dominanz und Unterwerfung durch das Muster der Kooperation zu ersetzen – also nicht die Führung aufgrund von Dominanz und Stärke zu haben, sondern zu führen indem ich dem Geführten und seinen Bedürfnissen ein Stück weit folge (und er mir), so dass es am Ende gar keinen ganz klar Führenden mehr gibt. Und das fällt den meisten Menschen – in meiner Wahrnehmung – nicht leicht. Ich habe gegrübelt, warum das so ist, ob dieser Wunsch nach Dominanz, nach Führung irgendeine anthropologische Konstante oder sowas ist; unser „Ego“ eben. Und, ich glaube, unser „Ego“ ist so eine anthropologische Konstante, die JEDER von uns mitbringt, und wir müssen daran arbeiten, dieses halbwegs in Schach zu halten zugunsten von Kooperation. Nicht umsonst geht es auch in so vielen Religionen darum, genau dieses Ego „zu überwinden“. Denn Kooperation scheint mir doch auf so vielen Ebenen (rational und emotional) die vernünftigere, sinnvollere, angenehmere, freundlichere, entspanntere Wahl zu sein im Vergleich zum ewigen Status-, Kompetenz- und Führungsgerangel der Menschen. Im Impro drückt sich dieses Dominanz-Gerangel durch „Blocken“ aus: „Nein, wir spielen nicht Deine Geschichte, wir spielen meine Geschichte! Nänänänänä!“ Dieses Verhalten sehe ich selbst bei den erfahrensten, professionellsten Impro-Spielern immer wieder. „Dabei müssten die es doch besser wissen!“ denke ich mir dann – wissen sie auch, aber es ist eben ein Unterschied zwischen Wissen und Umsetzung. Darum sind für mich die besten Impro-Spieler tatsächlich nach vor die, die in (fast) allen Umständen in der Lage sind, kooperativ zu spielen, denn so entsteht der beste Flow. Und dies ist absolut Tagesform-abhängig. „Kooperativ“ zu spielen, unser Ego und die altbekannten und vertrauten Muster von Dominanz und Unterwerfung hinter uns zu lassen, kostet viel Energie und „Gewahr-Sein“, und die hat man eben nicht immer.

2. Es geht beim Impro immer um die Vereinbarkeit bzw. ein Zusammenspiel von „rechter“ und „linker“ Gehirnhälfte bzw. den „Tugenden“, für die diese stehen: Früher fand ich es ganz toll, wenn Impro „intuitiv“ passiert, aus dem Bauch heraus, „im Flow“ – das finde ich auch immer noch! Aber es braucht eben auch den Verstand, um etwas wirklich Großes daraus zu machen. Ich muss in der Lage sein, mich an bestimmte Elemente der Geschichte zu erinnern und diese sinnvoll „einzusammeln“, mit dem zu verknüpfen, was schon da ist. Wenn ich mich aber nur auf meinen Verstand verlasse und an das Verknüpfen, Zusammenführen und Analysieren dessen, was schon da ist und was noch gebraucht wird, denke, wird es nicht gut. Umgekehrt wird es aber eben auch nicht gut, wenn ich nur „aus dem Bauch heraus“ spiele, wie mir gerade ist, und Angebot über Angebot mache – am Ende viel zu viele, um sie alle „zu bedienen“. Deshalb ist eben auch hier das „Sowohl als auch“ so entscheidend, und die gute Mischung von Kopf und Bauch, um es mal ganz platt zu sagen. Eine nicht gut austarierte Balance dieser beiden Elemente führt zu einem Missklang – bei einzelnen Spielern genauso wie bei ganzen Ensembles.

Ich bin mir sicher, es gibt viele weitere Grundmuster, die sich beim Impro offenbaren. Und mein Verstand wird auch sicherlich weiterhin danach Ausschau halten. Vielleicht wisst Ihr ja auch ein paar!?

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One thought on “Muster

  • By Markus - Reply

    Du hast sehr Recht.
    Wie so oft im Leben: die Mischung macht’s!

    Ich bin noch sehr frisch vom Impro-Virus infiziert, aber ein wenig mitreden kann ich schon…
    Die wichtigsten Regeln bekommt man natürlich schnell vermittelt.
    Steht man dann aber auf der (Probe-)Bühne, dann merkt man oft gar nicht, was man da genau spielt, und die eigenen Fehler bemerkt man auch nicht immer bzw. man merkt sie viel zu spät. 🙂

    Es stimmt, wenn man kooperativ spielt, entsteht viel besser dieser Spiel-Flow. Und es heißt ja dadurch nicht, dass man eine eigene Idee nicht mehr unterbringen kann. Hin und wieder gibt es dafür sogar noch ’ne zweite Chance in einer Szene.
    Kooperation ist für mich auch die angenehmste und auch ehrlichste Methode.

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