Über das fröhliche Scheitern

Es gibt kein fröhliches Scheitern. Das ist jetzt natürlich eine steile These für mich als Impro-Spielerin. Sprüche wie: „The master has failed more times than the beginner has ever tried!“ (Steven McCranie) sind zwar hübsch fürs Poesie-Album und entbehren (wie die meisten Poesie-Album-Sprüche) nicht einer gewissen Wahrheit. Dennoch: ich habe gestern, nachdem ich nach Ewigkeiten mal wieder bei einem Hula Hoop Kurs war, gemerkt, wie frustrierend es ist, ein paar Dutzend mal die gleiche Bewegung / Übung zu machen und es einfach nicht so hin zu kriegen, wie es „richtig“ ist. Natürlich kann man schon bei diesem Begriff ansetzen und fragen: „Was ist denn überhaupt richtig?“ – hier wird eher ein Schuh draus mit dem Impro, wo es richtig und falsch in dem Sinne nicht gibt, sondern nur Gefallen und Nicht-Gefallen – und das ist total subjektiv. Aber zurück zum Hula Hoop: Ich finde das nicht angenehm, dieses Üben und immer wieder daran Scheitern. Wie frustrierend muss es sein, Klavierspielen zu lernen! Das Scheitern macht mir schlechte Laune und Frust.

Normalerweise versuchen wir Menschen, Leid zu vermeiden. Das Problem entsteht dann, wenn wir bestimmte Dinge gar nicht mehr probieren, weil wir Angst vorm Scheitern haben, weil dieses Scheitern uns eben Leid verursacht. Damit schränken wir unsere Handlungsoptionen in quasi vorauseilendem Gehorsam erheblich ein – aber aus, wie ich finde, sehr nachvollziehbaren Gründen, denn wer möchte schon mehr Leid in seinem Leben haben?

Was hilft also? Im Prinzip nicht viel, denke ich – außer: Aushalten. Das kann man als Frustrationstoleranz, Resilienz oder wie auch immer bezeichnen. Für mich trifft es das Wort „Aushalten“ am besten. Und das finde ich alles andere als einfach.

Natürlich gibt es auch dieses andere Scheitern: Dieses, wo aus den Trümmern der in Schutt und Asche liegenden Option etwas Neues, anderes, vielleicht sogar Besseres wird. Dieses Scheitern ist das, das wir beim Impro versuchen zu kultivieren. Aus den „Trümmern“ des Plans eines Spielers wird durch das Akzeptieren und das flexible Reagieren der Mitspieler etwas Neues, möglicherweise viel Tolleres, als wenn der ursprüngliche Plan in die Tat umgesetzt worden wäre. Und wir haben auf der Bühne gar keine Zeit, unserer in Trümmern liegenden Option nachzutrauern und daran zu leiden.

Im Leben, und in Kontexten oder Situationen, wo es „einen richtigen Weg“ gibt, etwas zu tun (wie z.B. beim Hula Hoop, dem Spielen von „Für Elise“ oder der Zubereitung eines Soufflés), hat man diese Flexibilität jedoch oft nicht. Wenn man etwas nicht so ausführt, wie es die Situation oder das Konzept vorsieht, scheitert man. Und daran leidet man. Und da hilft nur: Aushalten.

Jetzt staunt möglicherweise der Laie und der Fachmann wundert sich: Was, wenn wir tatsächlich irgendwann mal Erfolg haben, und unsere unzähligen Versuche und das viele Üben sich gelohnt haben, und wir diese Sache jetzt hin kriegen? Macht der letztendliche Triumph das Leid, das uns das Scheitern zugefügt hat, nicht wieder wett? Diese Frage muss jeder für sich selbst beantworten. Ich habe für mich in diesem Punkt noch zu keiner endgültigen Antwort gefunden. Aber was bleibt einem übrig, als es immer wieder zu versuchen, wenn man nicht „stecken bleiben“ will?

Nachtrag 07.12.2015
Inzwischen habe ich genug geübt, dass ich alle diese Hula Hoop Tricks, die mich vor gut 1,5 Monaten so haben verzweifeln lassen, eigentlich ganz gut hin bekomme. Bereits am Abend des selben Tages an dem ich diesen Artikel schrieb, und mit einem anderen Reifen klappte der eine Trick, der mich im Training schier verzweifeln ließ, plötzlich einwandfrei und klappt auch seitdem. Ich möchte Euch also einladen, wenn etwas nicht klappt, einfach weiter daran zu üben – auch wenn der Prozess des Übens selbst oft frustrierend sein kann, aber ich denke, hier muss man wirklich einfach durch und das „aushalten“. Und schon eine kleine Pause und etwas Abstand zwischen den Übungseinheiten können hier Wunder bewirken. Bei mir half es außerdem, die „äußeren Parameter“, also den Hula-Hoop-Reifen, zu ändern. Vielleicht probiert Ihr in Euren Übungskontexten auch einfach damit etwas rum. Wenn man etwas „zu doll“ will, ist die Gefahr hoch, dass man sich verkrampft – und das ist oft eine schlechte Voraussetzung fürs Gelingen einer Sachen. Daher in so einem Fall: Pause machen, was anderes tun, Kopf frei bekommen – weiter üben!

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