Let your partner shine

Mal wieder ringe ich mit mir, ob es so eine gute Idee ist, diesen Artikel zu schreiben und zu veröffentlichen, aber ich mache es einfach mal.

Wahrscheinlich kennt jeder von Euch eine Person im eigenen sozialen Umfeld, deren Gruppenverhalten Euch in irgendeiner Weise antriggert oder m.a.W. „unangenehm berührt“. So auch ich. Bei mir ist es eine Person (nein, und ich werde nicht verraten, wer es ist), die sich in größeren Gruppen gerne selbst profiliert und ihre eigenen Kompetenzen über den Klee lobt.* Dies hat auf mich zwei Effekte, die ich als unangenehm empfinde:

1. Indem man sich selbst lobt / überhöht, sitzt man alle anderen Anwesenden automatisch herab, ob man will, oder nicht.

2. Ein solches Verhalten triggert bei mir den Konkurrenz- und Kampf-Impulse an, und ich fühle mich, ohne dass ich es möchte, in einen Hochstatus-Battle hinein gezogen. Die einzige Möglichkeit für mich, mich dem zu entziehen, ist, mich der Situation gleich ganz zu entziehen und besagte Person in größeren Gruppen zu meiden.

Lass Deinen Partner gut aussehen!

Im Impro-Theater lernen wir die Regel „Let your partner shine!“ Das Verhalten meiner „Trigger-Person“ ist jedoch eher ein Beispiel für „Let yourself shine!“ Die oben erwähnte Impro-Regel kann jedoch wunderbar praktisch umgesetzt werden, indem man in größeren Gruppen nicht sich selbst, sondern andere über den Klee lobt! Indem man z.B. sagt „XY ist ist der beste Impro-Spieler diesseits der Spree!“ oder „ABC ist bei Fragen rund ums Thema Kaffee die kompetenteste Person, die ich kenne!“ – es könnte so einfach sein!

Viele Leute (und ich zähle mich durchaus dazu) scheuen jedoch dieses Verhalten, da sie befürchten, indem sie andere erheben (ihnen Status geben), setzen sie sich selbst damit herab. Das glaube ich jedoch nicht, im Gegenteil: Indem ich Person XY über den Klee für eine bestimmte Sache lobe, gebe ich mich ja implizit als Experte für ebendiese Sache zu erkennen – sonst könnte ich mir darüber ja gar kein Urteil erlauben! Jedenfalls ist dies die Botschaft, die unterschwellig bei den Zuhörern ankommt. Und gleichzeitig wirke ich noch unglaublich charmant dabei, und Person XY fängt an, mir zu vertrauen. Also eine Win-Win-Situation für beide. Im Grunde ist es das Verhalten, das wir im Impro als „positiven Hochstatus“ bezeichnen (das eingangs erwähnte Beispiel meiner „Trigger-Person“ wäre eher ein negativer Hochstatus). Oder in TA** Begriffen ausgedrückt: Ich bin okay, Du bist okay (Verhalten der „Trigger-Person“ entspricht eher: Ich bin okay, Du bist nicht okay).

Keiner mag Schleimer

Nun gilt es wie bei allem natürlich auch hier, den Bogen nicht zu überspannen. Ich habe schon Menschen kennen gelernt (im Amerikanischen Raum ist dieses Verhalten sehr verbreitet), die o.g. Schachzug übertrieben häufig und in übertriebener Weise einsetzen, so dass zu erkennen ist, dass dies eigentlich nur ein Mittel zum Zweck ist. Auch dies macht misstrauisch, mich zumindest. Deshalb gilt es: Wenn Ihr o.g. Verhalten einsetzen wollt, bezieht Euch auf etwas, das Ihr wirklich an dem Menschen bewundert, den Ihr da über den Klee lobt! Wenn jemand ein Food-Liebhaber ist und ein ausgezeichnetes Näschen für Restaurants und Gaststätten hat: Lobt das. Wenn jemand einen wunderbar trocken-lakonischen Humor mit zynischem Einschlag hat: Lobt das. Und wenn jemand die geilsten Cowboystiefel jenseits von Texas trägt: Lobt das. Wichtig ist, dass so ein Lob authentisch ist und eben nicht nur als Mittel zum Zweck dient (denn das erkennen Menschen i.d.R. auch).

Kein Self-Bashing

Das führt mich zum nächsten Punkt: Wenn die Bewunderung für die andere Person so groß ist, dass ich mich ihr selbst gegenüber eher klein und unterlegen fühle, kann ein entsprechend vorgebrachtes Lob in der Gruppe tatsächlich eher dafür sorgen, dass ich meinen Status runter setze. Wir Menschen haben sehr feine Status-Wahrnehmungsorgane, und kleinste Anflüge von Schwäche nehmen wir i.d.R. sofort wahr (auch wenn wir uns selbst dessen oft gar nicht so bewusst sind und es vielleicht nicht mal formulieren können). Auch in diesem Fall würde ich eher davon absehen, die andere Person über den Klee zu loben, es sei denn natürlich, es liegt Euch wirklich am Herzen, diese Person für ihre Fähigkeiten öffentlich anzuerkennen (warum sollte es das auch nicht). Ansonsten kann so ein Manöver eher in Richtung „Self-Bashing“, nach dem Motto: Ich bin nicht okay, Du bist okay, ausarten. Wichtig ist eben auch hier tatsächlich immer die innere Haltung.

Gratwanderung

Ihr seht also, es ist gar nicht so einfach und eine Gratwanderung, und wie immer wenn es um zwischenmenschliches Verhalten geht, gibt es keine Pauschalrezepte und ich werde hier auch keine Verhaltensanweisungen oder -tipps heraus geben (und bitte darum, diesen Artikel auch nicht so zu lesen). Es klingt wie aus einer Frauenzeitschrift oder einem Poesie-Büchlein, aber das Wichtigste ist wie immer die Authentizität, und ich bin überzeugt davon, dass Menschen sofort merken, wenn eine Person sich nicht authentisch verhält***, sondern ein einstudiertes Verhaltensmuster ausprobiert. Was nicht heißt, dass man es nicht mal probieren kann… In diesem Sinne: Let your partner shine!

 

* Nun gibt es viele, die sagen, dass hinter so einem Verhalten große Allmachtswünsche und Minderwertigkeitsgefühle stehen, aber ich halte von solch pauschalisierten Aussagen und Klischees eher wenig.

** TA = Transaktionsanalyse

*** Um den Begriff „Authentizität“ kreisen m.E. viele Missverständnisse; was ich damit meine ist: Authentisch ist, wenn ich das, was ich innerlich fühle (Trauer, Freude, Frust, Wut) nach Außen durchlasse und nicht z.B. eine Maske der Fröhlichkeit aufsetze, wenn ich mich eigentlich gerade unsicher und ängstlich fühle. Das wäre eher „fake it till you make it“ – was sicherlich seine Berechtigung in vielerlei Situationen hat (nicht zuletzt zum eigenen Schutz), jedoch i.d.R. von anderen Menschen als Fake-Verhalten erkannt wird (auch wenn es ein Tabu-Thema ist, das normalerweise nicht angesprochen wird). Man kann viel zum Thema „Authentizität“ schreiben, aber hier nur noch eines: Sich gefühlsmäßig „authentisch“ verhalten heißt nicht, seine Wut, Trauer oder seinen Frust ungefiltert durch lassen und an anderen auslassen, indem man z.B. ihnen die Schuld oder Verantwortung für das eigene Fühlen und Verhalten gibt.

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