Manipulation

Ich habe lange mit mir gehadert, aber nun fühle ich mich doch berufen, einen Blog-Artikel zum Thema „Manipulation“ zu schreiben. Der Begriff „Manipulation“ hat einen sehr schlechten Ruf, insbesondere im Zusammenhang mit NLP (sog. „Neurolinguistisches Programmieren“) oder verwandten Techniken. Er hat dort so sinngemäß die Bedeutung: Jemand anderen dazu bringen etwas zu tun, das er „eigentlich“ nicht möchte (und das ihm vielleicht sogar schadet). Tendenziell kombiniert damit, dass ich einen Vorteil davon habe, während die Folgen für den anderen mir egal sind. Der Begriff hat auch etwas von „übertricksen“, übertölpeln, austricksen u.ä.

In diesem Sinne heißen glaube ich nur wenige Menschen „Manipulation“ gut, mich eingeschlossen, denn es handelt sich um eine „negative“ Manipulation (so will ich es mal nennen), bei der die Haltung des Manipulierenden, gelinde gesagt, etwas fragwürdig ist.

Der eigentliche Begriff „Manipulation“ geht jedoch weit darüber hinaus, und beginnt eigentlich dort, wo ich jemandem eine Frage stelle, und die andere Person darauf antwortet (oder eben auch nicht). In diesem Fall habe ich sie „manipuliert“, auf mein Angebot zu reagieren. In diesem Sinne ist jede Kommunikation = Manipulation, da es einen Reiz gibt, auf den eine Reaktion folgt. Und in diesem Sinne ist der Begriff „Manipulation“ schon deutlich entschärft.

Ich möchte aber bei der zuerst genannten Bedeutung bleiben, nämlich, dass eine Person eine andere durch geschickte und charmante Gesprächsführung dazu bringt, etwas zu tun, das diese „eigentlich“ nicht tun würde. Das Problem beginnt für mich schon bei dem Wort „eigentlich“, aber das möchte ich hier außen vor lassen.

Weshalb sich m.E. die Menschen vor dieser Art Manipulation so fürchten, oder sogar ekeln, ist, dass a) die Haltung bzw. Absicht des Manipulierenden keine gute (in ihrem Sinne) ist, und b) dass der Manipulierende so geschickt agiert, dass der Manipulierte es gar nicht mitbekommt. Diese „Technik“ ist es auch, der NLP seinen schlechten Ruf verdankt. Nun, was macht NLP hier? Ein wichtiger Grundpfeiler des NLP ist der sog. „Rapport“, d.h. die geistige / mentale / seelische Verbindung zu einem anderen Menschen. Die Annahme ist, dass jede therapeutische Arbeit (und Therapie ist in diesem Sinne auch Manipulation, da der Therapeut eine Person dazu bringen möchte, etwas zu tun, das diese „eigentlich“ nicht möchte – z.B. sich nichts antun) als erstes einen guten Rapport, sprich, eine gute Beziehung zwischen Therapeut und Klient braucht. Dies ist die Basis für Veränderung.

Genau dieses Prinzip des Rapports ist es auch, dass viele Menschen aus dem therapeutischen Kontext in andere Kontexte übertragen, z.B. in den Verkauf. Das Ziel ist, eine gute persönliche Beziehung vom Verkäufer zu dem Kunden herzustellen, und darüber etwas zu verkaufen. Dies ist es schon, wo viele „Manipulation“ wittern (der Kunde wird dazu gebracht, etwas zu kaufen, was er „eigentlich“ nicht will, nur weil der Verkäufer nett zu ihm ist) und deshalb NLP ablehnen.

Ich behaupte jedoch, dass dieses Verhaltensmuster nichts NLP-Spezifisches ist, sondern etwas Uraltes. Sicherlich hat jeder schon einmal den Spruch „Wer ficken will muss freundlich sein“ gehört – etwas anderes ist das auch nicht. Oder mit anderen Worten: Was NLP vorgeworfen wird, ist die Instrumentalisierung der Beziehungsebene für die eigenen Ziele / Zwecke, ohne Rücksicht auf die Ziele, Wünsche und Bedürfnisse desjenigen, der da „manipuliert“ werden soll. Aber dies hat nichts mit NLP zu tun und wird auch so in keinem guten NLP Curriculum vermittelt, sondern hängt mit der Haltung desjenigen zusammen, der diese Technik anwendet (und für mich fängt es schon dort an, problematisch zu werden, wo dieses Prinzip als reine „Technik“ betrachtet und angewendet wird). Deshalb ist eben die Haltung, mit der man etwas wie NLP betreibt, so wichtig, und deshalb sind Verbände wie der DVNLP, der auf Grundlage ethischer Richtlinien arbeitet und eben genau darauf Wert legt, dass NLP nicht als einfache „Technik“ angewendet wird, so wichtig.

Und ich möchte an dieser Stelle mal die ketzerische Frage in den Raum werfen: Was wäre denn eine gute alternative Verhaltensweise für den Verkäufer? Wie soll er sich sonst verhalten, um seinem Kunden etwas zu verkaufen? Wer gute Antworten hierauf hat, möge diese gerne im Kommentarfeld dieses Artikels hinterlassen, ich bin wirklich sehr gespannt darauf!!

Und hier schließt auch an, was mir den Impuls für diesen Artikel gab: Auslöser war ein Erlebnis, das ich heute Vormittag hatte, als ich aus dem Krankenhaus kam (wo ich einen speziellen Arzt aufgesucht hatte; nix Schlimmes). Dort saß vor dem Krankenhaus auf einer Bank eine Frau und keifte, schrie und zeterte in ihr Handy, um die Person am anderen Ende der Leitung dazu zu bringen, etwas zu tun (was, das habe ich schon wieder vergessen), also m.a.W., ihr einen Befehl zu erteilen. Offenbar wollte die Person am anderen Ende der Leitung dies jedoch nicht tun, und so schrie und schimpfte die Frau vor dem Krankenhaus wie Rumpelstilzchen.

Dies ist eine Verhaltensweise, die ich ziemlich oft bei Menschen beobachte: Jemand versucht, mit Gewalt (schreien, drohen, schimpfen) eine andere Person dazu zu bringen, etwas zu tun, das diese „eigentlich“ nicht möchte. Mitunter erreicht die Gewalt möglicherweise sogar eine nächste Stufe und wird körperlich. Es ist eigentlich eines der Muster, die ich am häufigsten im Alltag hier in Berlin beobachte: Menschen sollen durch Repression, durch Druck und Drohung dazu gebracht werden, irgendetwas zu tun, das sie „eigentlich“ nicht wollen. Viele tun es dann aber doch, weil sie Angst vor den Folgen haben, oder einfach wollen, dass die Gewalt, die auf sie einprescht, aufhört.

Diese Frage ist rhetorisch, aber dennoch: Welche Art von Manipulation ist denn jetzt „schlimmer“? Die offene, aggressive, repressive oder die, bei der der Manipulierende über die Beziehungsebene die andere Person dazu bringen möchte, etwas zu tun?

Ich behaupte: Wenn die Haltung, mit der der Manipulierende manipuliert, gut ist (also nach bestem Wissen und Gewissen im Sinne des anderen agiert), dann ist mir der zweite Weg doch allemal lieber, als der, bei dem ich durch Gewalt und Repression dazu gebracht werden soll, etwas zu tun! Und nachhaltiger ist es allemal.

Schon häufig habe ich von Leuten, die sich damit auskennen, gehört, dass sowohl Hunde, als auch Pferde als auch Delfine nur über positive Verstärkung lernen, d.h. nicht über Strafe, Gewalt und Repression. Die Tiere tun dann zwar, was man von ihnen möchte, aber der „Lernerfolg“ ist nicht nachhaltig; beim nächsten Mal in der gleichen Situation legen die Tiere wieder das „falsche“ Verhalten an den Tag. Belohnt man jedoch wünschenswertes Verhalten (anstatt „falsches“ zu bestrafen), ist der Lernerfolg nachhaltig und die Tiere zeigen beim nächsten Mal in der gleichen Situation das „richtige“ (also das gewünschte) Verhalten. Warum sollte sich das bei uns Menschen so viel anders verhalten, frage ich mich?

Dennoch sehe ich jeden Tag auf der Straße und in meinem Umfeld immer wieder zig Beispiele, bei denen Menschen andere Menschen versuchen, zu etwas zu bringen, indem sie Gewalt und Druck – sei es verbal oder körperlich – ausüben. Mein großer Wunsch ist, dass hier irgendwann ein Umdenken stattfindet, und dass die Menschen einsehen, dass Manipulation (in der eingangs erwähnten Bedeutung) an sich nichts Schlechtes ist – sondern dass es stets auf die Haltung desjenigen ankommt, der zu manipulieren versucht.

Nachtrag: Als Leser fragt Ihr Euch jetzt möglicherweise: Wie kann ich denn die „negative“ Manipulation, von der am Anfang des Artikels die Rede ist, erkennen bzw. mich davor schützen?

Was das Erkennen angeht, so kann ich als Antwort leider nur anbieten: Hört auf Euren „gesunden Menschenverstand“ und Euer Gefühl! Wenn die Alarm schlagen, wollen die Euch oft etwas Wichtiges mitteilen, das es wert ist, nochmal besonders unter die Lupe zu nehmen.

Was das Schützen angeht: Wenn es um das oben erwähnte Thema „Verkaufen“ geht (der Verkäufer, der so nett zu mir ist, dass es ein schlechtes Gefühl verursacht, wenn ich die zur Debatte stehende Ware jetzt nicht kaufe), stelle ich mir immer folgende zwei Fragen: 1. Brauche ich diese Sache, um die es gerade geht? 2. Will ich sie? Wenn ich mindestens eine der beiden Fragen mit „Ja“ beantworten kann, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass es eine gute Kaufentscheidung ist und ich den gekauften Artikel behalte. Aber selbst, wenn ich beide Fragen mit „Nein“ beantworte, kaufe ich die zur Debatte stehende Sache vielleicht trotzdem, weil ich mir gerade etwas Schönes gönnen oder mich belohnen will, und das ist dann auch in Ordnung. Stellt Euch auch die Frage: Kann ich gerade damit leben, dass wenn ich diese Sache nicht kaufe, obwohl der Verkäufer sich so um mich bemüht hat, ich die Beziehungsebene zum Verkäufer „abbreche“? Das ist ja ein bisschen, wie jemandem einen Korb zu geben, und damit haben viele Leute Schwierigkeiten (ich kenne das von mir) und kaufen dann etwas, das sie eine Woche später wieder heimlich und unauffällig zurück geben, weil sie es weder brauchen noch wollen, und nur dem netten Verkäufer keine „Abfuhr“ erteilen wollten (die Beziehungsebene abbrechen). Auch das muss am Ende des Tages jeder für sich entscheiden, wie er es handhaben möchte. Wenn es Euch sehr schwer fällt, diesen „Korb“ zu geben, und Ihr lieber die Ware eine Woche später unauffällig zum Laden zurück bringt: Was spricht dagegen? Aber dann seid Euch darüber im Klaren, dass dies Eure Entscheidung war, so zu handeln, und nicht der Verkäufer (oder eine windige Verkaufstechnik) Euch „übertrickst“ hat, etwas zu kaufen, das Ihr nicht wolltet. Das hieße ja wirklich, dass Ihr der „Spielball“ einer Manipulation geworden seid, gegen die Ihr Euch nicht wehren konntet. Ich finde es wichtig, sich zu vergegenwärtigen, dass wir immer Handlungsoptionen haben und oft gute Gründe gegen etwas sprechen (z.B. dem Verkäufer „einen Korb“ zu geben) – aber dass es dann eben meine Entscheidung ist, und ich nicht „Opfer“ einer Manipulation geworden bin.

Und was alle anderen Situationen bzw. Entscheidungen angeht, stelle ich mir stets die Frage: Hätte ich auch so entschieden, wenn dieser Vorschlag von einer anderen Person (z.B. einer, die ich nicht so gut leiden kann) gekommen wäre? Oder im umgekehrten Fall: Hätte ich mich auch gegen XY entschieden, wenn der Vorschlag von einer Person gekommen wäre, die ich sehr gut leiden kann? Die Antwort auf diese Frage heißt nicht, dass ich mich umentscheide. Aber es ist ein super Indikator dafür, ob meine Entscheidung gerade von der Beziehungs- oder von der Sachebene geleitet wurde (mein Tipp: Beobachtet das mal eine Zeitlang bei Euch; Ihr werdet verblüfft sein, wie sehr Eure Entscheidungen tatsächlich von der Beziehungsebene dominiert werden, und wie wenig von der Sachebene; ich jedenfalls war es).

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