Gedanken über Hoch- und Tiefstatus

Eine Diskussion, die kürzlich in einer deutschen Facebook-Gruppe für Impro-Spieler statt fand hat mich dazu inspiriert, ein paar Gedanken zum Thema Status aufzuschreiben. Ausgangspunkt der Debatte auf FB war, dass ein Spieler schrieb, er habe häufig Schwierigkeiten, den Tiefstatus zu spielen. Hierauf gab es mehrere Antworten von anderen Spielern mit hilfreichen Tipps und Anregungen zum Spielen des Tiefstatus. Jedoch habe ich beim Lesen dieser Tipps häufig gemerkt, dass mir die Charakterisierung von Hoch- und Tiefstatus zu eindimensional und schablonenhaft sind. Für die Bühne mag das sehr gut taugen, aber sobald es darum geht, den Status-Begriff auch auf das “normale Leben” auszuweiten, reicht der eindimensionale Begriff von Hoch- und Tiefstatus m.E. nicht mehr aus. Konkret angetriggert hat mich die Aussage, dass es charakteristisches und ihm immanentes Merkmal des Tiefstatus sei, stets nach Sicherheit zu streben, und dass er motiviert ist durch das, was im Außen passiert. Ich glaube, dass es auch Typen mit Hochstatus-Verhalten gibt, deren Antrieb ein immenses Sicherheitsbedürfnis ist, und Tiefstatusse, die in sich ruhen und glücklich sind und nicht von dem, was außen um sie herum ist, abhängig sind oder motiviert werden (“Kontemplation”).

Ich halte es da mit Lee Whites Status Begriff, und bisher konnte mich auch noch niemand von einer anderen Meinung überzeugen: Wenn Marilyn Monroe sich herunterbeugt und wispert “Can I have some diamonds, please?” dann hat sie den hohen Status. Und eine glückliche, in sich sich selbst ruhende und zufriedene Person, hat in der Regel eher einen tiefen Status – und dazu gehört für mich z.B. auch der Dalai Lama.

Vielmehr denke ich, dass das Thema vielschichtiger ist; was ist z.B. mit einem Coach? In der Beziehung Coach-Klient ist er eindeutig in der Rolle mit mehr Macht, also der Hochstatus – und das ist beiden (Klient und Coach) auch klar. Aber in der konkreten Coaching-Situation nimmt der Coach sich total zurück und lässt den Klienten “erblühen”, sich ausleben, in seine Kraft kommen, folgt ihm, indem er ihn spiegelt, nicht dominiert etc. – ist also im Tiefstatus, während der Klient im Hochstatus ist. Ähnlich der Kontrollfreak: Nach außen ist er dominant und kontrolliert und gängelt andere, bis diese möglicherweise völlig entnervt sind. Aber innerlich ist er eine arme Wurst, weil er unsicher ist und nach Sicherheit um jeden Preis strebt – also ein Tiefstatus. Ich bin davon überzeugt, dass es so etwas wie inneren und äußerern Status gibt, von dem wir auf der Bühne jedoch i.d.R. nur den äußeren sehen.

Keith Johnstone charakterisiert den Hochstatus kurz mit ungefähr folgenden Worten “Komm mir nicht zu nahe, oder ich beiße!” (also bedrohend, bissig) und die Haltung des Tiefstatus als “Tu mir nichts, ich bin es nicht wert!” – nach dieser Definition dürfte es so etwas wie positiven Hochstatus (der großzügige Chef, der am Wohlergehen und Weiterentwicklung seiner Mitarbeiter interessiert ist) eigentlich gar nicht geben, denn der Hochstatus ist dann per se “bissig” und hat eine Tendenz zu drohen, wenn ihm jemand zu nahe kommt oder ihm etwas nicht passt (erzeugt also bei anderen ein latentes Gefühl der Angst).* Aber es gibt solche Leute wie den großzügigen Chef und ich glaube, dass sie genau diejenigen sind, die innerlich den Hochstatus haben, und sich äußerlich aber auch als Tiefstatus geben können, wenn die Situation es verlangt. Und diese Leute sind nicht bedrohlich und “mensch” hat auch i.d.R. keine Angst vor ihnen – im Gegenteil, “mensch” vertraut sich ihnen gerne an und lässt sich von ihnen führen. Ich zumindest habe Vertrauen zu solchen Menschen und keine Angst. Von einem bedrohlichen Hochstatus, vor dem ich Angst habe, lasse ich mich hingegen nicht gerne führen.

Auch hier halte ich es mit Lee White: Status ist nicht etwas, das man hat, sondern das andere einem geben. Bzw. würde ich es sogar reziprok, also als Prozess sehen: Jemand kann als Tiefstatus-Person anfangen, tut etwas, das erfolgreich ist und erntet dafür Anerkennung -> bekommt also Status von anderen, und passt vielleicht daraufhin wiederum sein Verhalten an, so dass es “Hochstatus-iger” wird – woraufhin der Prozess weiter angefeuert werden kann, in einer reziproken Dynamik. Das ist ein Prozess. Auf der Bühne benutzen wir Status jedoch als eine statische Eigenschaft einer Figur, und das ist auch okay so. Denn es gibt unseren Figuren mehr Profil, eine realistische Dimension. Aber im “realen Leben” ist Status für mich ein Prozess und deshalb wandelbar und veränderlich.

* Und auch den positiven, unbekümmerten Tiefstatus à la Goofy dürfte es nicht geben, weil der Tiefstatus per se permanent ängstlich sein und sich minderwertig fühlen müsste.

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