Das Thema „Assoziationen“ oder „Assoziieren“ ist eines, das mir schon seit längerer Zeit „auf der Zunge“ liegt bzw. im Kopf rum geht. Erst in den letzten 12 – 24 Monaten ist mir irgendwann aufgegangen (und wird mir immer klarer / deutlicher), wie wichtig die Fähigkeit, zu assoziieren, fürs Impro-Theater-Spielen ist. Im Grunde liefert sie uns den Stoff für unsere Szenen! Und das ist in der Johnston’schen Schule nicht viel anders als in der von Del Close! Allgemein wird uns gerne suggeriert (oder vielleicht bin ich einfach nur besonders empfänglich für diesen Glaubenssatz), dass es die Ideen des Mitspielers sind, die es aufzunehmen und mit denen es zu spielen gilt. Das ist durchaus richtig, aber die Ideen des Mitspielers wären nichts, ohne meine eigene Assoziationsfähigkeit! Wir sprechen vom „Yes-and’ing“ (wenn jemand mal eine gute Schreibweise dafür hat, immer her damit), und das bedeutet nichts anderes, als die Idee des Mitspielers aufzunehmen, und mithilfe meiner eigenen Assoziationsfähigkeit weiter zu führen, zu ergänzen. Deshalb macht es für Impro-Spieler durchaus Sinn, im Warm-up (oder auch sonst) ihre Assoziationsfähigkeit zu trainieren. Der andere hat nicht die Verantwortung, dich „zu inspirieren“, sondern es ist DEINE Aufgabe, aus dem Material, was er Dir liefert, mithilfe Deiner eigenen Assoziationen etwas zu machen. Vielleicht kann man auch sagen: Der Mitspieler liefert eher den Impuls als die „Inspiration“.
Ich liebe die Definition von Präsenz von Roland Trescher, dass nämlich Präsenz nichts anderes ist, als die Verbindung von innen und außen, die gleichermaßen Durchlässigkeit von Impulsen aus dem Außen nach innen und umgekehrt gestattet, sowie die Verknüpfung dieser beiden. In diesem Sinne ist nämlich das Prinzip des „Yes-and’ing“ nichts anderes als eine Definition von Präsenz: Ich verknüpfe die Impulse und Angebote meiner Mitspieler, die von außen kommen, mit meinen eigenen Impulsen und Assoziationen, die von innen kommen.
Früher, während meiner ersten Impro-Kurse bei Foxy Freestyle, haben wir immer viele Assoziationsspiele gespielt, und ich habe nie verstanden, warum. Ich habe mitgemacht, aber der Sinn oder die Verbindung zum eigentlichen Impro war mir nie klar. Später, in meiner eigenen Impro-Gruppe, haben wir oft und gerne das Spiel „Taramtamtam“ gespielt – meistens mit zusammengesetzten Hauptwörtern à la „Lampen – Schirm ; Nasen – Bär“ oder zweiteiligen Begriffspaaren à la „Jogurt – essen ; Klo – putzen“ – ich habe den Sinn auch dieses Spiels nicht verstanden, habe jedoch stets mitgemacht, da es bei mir in der Gruppe so beliebt war.
Inzwischen würde ich dieses Spiel anders spielen und auch anleiten: Es geht überhaupt nicht um zusammengesetzte Hauptwörter oder Begriffspaare, sondern ich würde es als Assoziationsspiel mit Rhythmus kombiniert spielen. Der Rhythmus sorgt dafür, dass die Assoziationen in einem bestimmten Zeitfenster geschehen müssen, zwingen den Spieler also dazu, nicht über das nächste Wort zu überlegen, sondern das Naheliegende zu nehmen, auch wenn das vielleicht einmal „nicht logisch“ erscheint. Wenn sich dabei einmal zusammengesetzte Hauptwörter oder Begriffspaare bilden, ist das völlig in Ordnung – das Spiel sollte jedoch keine Eigendynamik in diese Richtung entwickeln oder gar mit dem Ziel daraufhin gespielt werden (das kann man natürlich machen, wenn es der Gruppe Freude bringt, aber ich würde es nicht mehr so spielen).
Unser Assoziationsvermögen ist es auch, das wir benutzen, wenn wir in Alltagssituationen „schlagfertig“ sind. Voraussetzung dafür ist, dass wir uns „sicher“ fühlen, keine Angst haben. Denn die Angst sorgt dafür, dass die Basis-Stress-Programme von Kampf, Flucht oder Totstellen vom Gehirn bereit gehalten werden – aber nicht, dass frei assoziiert werden kann. Das ist für viele Menschen in den meisten Alltagssituationen leider nicht der Fall, und deshalb denken sie, dass sie „nicht schlagfertig“ sind. Impro-Kurse werben mitunter damit, die Schlagfertigkeit ihrer Teilnehmer zu erhöhen – das stimmt jedoch m.E. nur bedingt; in der Kurssituation ist das sicherlich häufig der Fall, da dort ein „sicheres“, angstfreies Klima ist, in dem das Assoziationsvermögen und damit die Schlagfertigkeit gedeihen kann. Manch einem gelingt es, dieses Klima mit sich in Alltagssituationen zu nehmen, um auch dort schlagfertiger zu sein – aber eben nicht jedem, denn die subjektiv erlebte Sicherheit hängt von sehr vielen Faktoren ab.
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