Bereits kurz vor Weihnachten letzten Jahres habe ich einen Blog-Artikel veröffentlicht, in dem es um den Zusammenhang der existenziellen Grundpositionen der Transaktionsanalyse (TA) und Improvisations-Theater geht. Hieran möchte ich nun mit diesem Artikel anknüpfen, und über den Zusammenhang eines weiteren Konzepts aus der TA, dem der sog. „inneren Antreiber“ und Impro-Theater schreiben.
Das erste Mal kam ich mit dem Antreiberkonzept vor etwa drei Jahren im Rahmen meiner Trainer-Ausbildung in Kontakt, und dann jüngst wieder beim ProSA 1 Seminar von Noni Höfner und Charlotte Cordes. Bei den sog. „Antreibern“ handelt es sich um ein Modell, das die Steuerung bzw. Antriebsfeder menschlichen Verhaltens erklärt – des Denkens, Fühlens und Handelns. Die Antreiber entstehen in der Kindheit, als wir uns noch nicht „bewusst“ für die „Programmierung“ unserer „Hardware“ entscheiden konnten (ob wir das überhaupt jemals können?). Sie sind so etwas wie die internalisierten Stimmen damaliger Autoritätspersonen (Eltern, Lehrer u.a.), die wir so sehr verinnerlicht haben, dass sie irgendwann als unsere inneren (unbewussten) Stimmen fungieren und uns eben „antreiben“, bestimmte Dinge in einer bestimmten Art und Weise zu tun (bzw. zu denken und zu fühlen).
Folgende fünf Antreiber werden unterschieden:
Sei perfekt!
Beeil Dich!
Streng Dich an!
Mach’s recht! (oder: Sei gefällig!)
Sei stark!
Keiner der Antreiber ist per se schlecht – jeder von ihnen hat gute und schlechte Seiten. So sind z.B. Menschen mit ausgeprägtem „Sei perfekt!“-Antreiber häufig ebenfalls gründliche und zuverlässige Experten, Menschen mit „Mach’s recht!“-Antreiber agieren einfühlsam und bringen eine große Hilfsbereitschaft mit, und Menschen mit „Beeil Dich!“-Antreiber zeichnen sich durch eine hohe Dynamik, ein hohes Tempo im Agieren und durch Einfallsreichtum aus. Jeder von uns hat diese Antreiber in verschiedener Ausprägung und Kombination, denn ganz ohne Antreiber wären wir eher ein Schluck Wasser in der Kurve.
Wenn diese Antreiber jedoch zu stark in uns aktiv sind (im Internet und auch in der einschlägigen Literatur gibt es ausreichend Tests, mit denen man seine eigenen Antreiber und die Stärke ihrer Ausprägung heraus finden kann), dann können sie uns im Kontakt mit anderen hinderlich werden, uns die Lebensfreude trüben und dafür sorgen, dass wir uns fremdbestimmt und ohnmächtig fühlen (eben „angetrieben“).
Und hier kommt jetzt das Impro ins Spiel: Denn Impro-Theater, wenn man sich voll und ganz darauf einlässt und mit Herz, Hirn und Bauch dabei ist, sorgt mit großer Leichtigkeit dafür, dass die meisten dieser Antreiber auf eine spielerische Weise entmachtet werden:
Der „Sei Perfekt!“-Antreiber, weil Impro Fehler nicht nur toleriert, sondern regelrecht dazu auffordert, welche zu produzieren bzw. eben einen gelassenen und nachsichtigen Umgang mit Fehlern anstrebt.
Den „Beeil Dich!“-Antreiber, weil es in Impro-Szenen ganz oft gilt, Stille und Langsamkeit auf der Bühne auszuhalten; Momente der theatralen Spannung, in denen auch einmal nichts passieren darf (muss).
Den „Streng Dich an!“-Antreiber, weil Anstrengung uns im Impro nicht weiter führt; je mehr „Wollen“ auf der Bühne ist, desto unfluffiger und langweiliger wird die Szene; Zuschauer und Mitspieler rutschen dann unruhig und angespannt auf ihren Stühlen hin und her, denn die Anspannung der Spielenden überträgt sich auf sie. Je weniger wir beim Impro kontrollieren und bestimmen wollen, desto besser werden i.d.R. die Szenen und Geschichten.
Der „Mach’s recht!“-Antreiber wird beim Impro dadurch ausgehebelt, dass es hier einfach nichts gibt, das man „recht“ machen kann. Da es in dem Sinne kein Richtig & kein Falsch im Impro gibt, wird es schwierig, etwas recht zu machen. Darüberhinaus fordern wir Spieler immer wieder dazu auf, mutig zu sein und „unkonventionelle“, klare Angebote zu machen, anstatt es recht machen zu wollen und in diesem Sinne die Szene zu „verhuscheln“, weil klare Entscheidungen fehlen.
Und letztendlich erfährt auch der „Sei stark!“-Antreiber seine Schwächung, da es beim Impro-Spielen (wenn es Zuschauer und Mitspieler berühren soll) gilt, „durchlässig“ zu sein, anstatt stark und unangreifbar. Außerdem funktioniert Impro auch nur dann, wenn wir unseren Mitspielern Vertrauen entgegen bringen, denn Impro ist immer ein Gemeinschaftsprodukt. Es gilt also, sich zu öffnen und den anderen zu vertrauen.
Egal welcher Antreiber bei Dir also am Wirken ist, Impro kann Dir helfen, diesen ein wenig abzufedern und für die Momente des Spielens in den Hintergrund treten zu lassen. Ich weiß, wovon ich spreche 🙂
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