In fast allen Kursen, Seminaren und Workshops, die versprechen, seine eigene „Kommunikation zu optimieren“ gibt es immer wieder Teilnehmer, die hoffen, in solchen Seminaren zu lernen, wie sie andere dazu bringen, das zu tun, was sie wollen, aber ohne dass diese anderen beleidigt, wütend, frustriert oder widerständig sind oder sich ein Konflikt ergibt. Oder mit anderen Worten: Einige Teilnehmer kommen in solche Seminare weil sie im Arbeitsalltag oder im privaten Umfeld die frustrierende Erfahrung gemacht haben, dass andere Menschen nicht immer das machen, was sie wollen – und dass sich hieraus Konflikte und Streits ergeben.
Und nun hoffen sie, indem sie Methoden des „besseren Kommunizierens“ lernen, ihre Anliegen zukünftig so rüber bringen zu können, dass die anderen zwar machen, was sie wollen, aber freiwillig, ohne Groll, ohne Wut, ohne Widerstand und ohne Konflikt. Diese Teilnehmer glauben häufig, dass es lediglich an den Worten, an der Art, was man sagt (welche Worte man wählt) liegt, dass ihre Anliegen („Der andere soll doch einfach nur machen was ich will!“) nicht durchkommen.
Diese Erfahrung habe ich sowohl in Kommunikationsseminaren, die ich selbst besucht habe, als auch immer wieder in Workshops und Seminaren, die ich selbst gebe, gemacht. Aber so funktioniert es nicht. Was die Teilnehmer in solchen Seminaren stattdessen lernen (oder was ihnen zu vermitteln versucht wird) ist stattdessen, wie wichtig die Beziehungsebene ist. Und dass eine gute Beziehungsebene die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass die eigenen Anliegen bei anderen Gehör finden und möglicherweise von diesen sogar in die Tat umgesetzt werden. Und eine gute Beziehungsebene herzustellen ist eben für viele Menschen nichts, was sich mal so mir-nichts-dir-nichts in die Tat umsetzen lässt. Und was sich auch nicht mit ein paar Floskeln oder anderen Worten umsetzen lässt. Denn es erfordert (Selbst-)Reflektion und auch Arbeit an sich selbst – und an den Fragen: Was sind Stolpersteine in meiner Beziehungsgestaltung? Wo liegen meine Triggerpunkte, die mich wütend machen und damit möglicherweise toxisch für den Beziehungsaufbau sind? usw. usf.
Ein anderes wichtiges Learning in solchen Workshops ist häufig die Erkenntnis, dass ich eben nicht erwarten kann, dass andere ständig und immer und das tun, was ich von ihnen möchte – sondern dass die auch ihren eigenen Kopf haben, und dass sich Widerstand manchmal auch „hintenrum“, durch die kalte Küche einschleicht (passiver Widerstand). Und dass das einfach so ist und dass das beste Mittel, damit umzugehen, die eigene Frustrationstoleranz und Resilienz sind.
Oder mit anderen Worten: Ich lerne in solchen Seminaren nicht, wie ich andere (gut und möglichst unauffällig und möglichst sanft und konfliktfrei) verändern kann, sondern dass es gilt, bei mir selbst anzufangen und micht zu verändern. Diese Erkenntnis ist für einige Teilnehmer, die mit anderen Erwartungen in den Kurs gekommen sind, häufig sehr frustrierend. Aber – ich gebe zu bedenken -: Wenn es eine Methode, ein Mittel, einen geheimen Weg gäbe, wie ich andere „unauffällig“ und „sanft“ dazu bringe, das zu tun, was ich möchte – was denkt Ihr, wäre diese Methode dann noch geheim? Ich denke nicht. Ich denke, wenn es so eine Methode gäbe, wüssten wir alle davon und wir wüssten, wie man sie anwendet. Aber es gibt so eine Methode nicht – oder zumindest habe ich sie bisher noch nicht kennen gelernt und keiner, den ich bisher dazu gefragt habe, konnte mir etwas derartiges verraten (und ich habe wirklich schon VIELE Menschen dazu befragt 😉 ).
Beim der sog. „angewandten Improvisation“, die ich untererichte, verhält es sich ganz ähnlich: Die Menschen erwarten häufig, dass sie lernen, wie sie andere (möglichst unauffällig und ohne große „Kollateralschäden“) manipulieren können. Und stattdessen lernen sie, dass sie eigentlich nur sich selbst und ihre eigene Haltung / Verhalten manipulieren können, und sich dadurch aber das gesamte „System“ verändern kann – allerdings mit offenem Ausgang und ohne, dass sie darüber groß Kontrolle haben.
Ein Impro-Bekannter (von dem ich nicht weiß, ob er zitiert werden möchte, deshalb nenne ich an dieser Stelle seinen Namen nicht) hat letztes Jahr zu mir gesagt: Wenn es einem gelingt, radikal in diese Haltung des „Yes, and…“ (also des Akzeptierens und selber etwas hinzu fügens) zu gehen, ist man eigentlich unverwundbar. Denn dann geht es nicht mehr ums Gewinnen und vor allem gibt es dann auch nichts mehr, was ich verlieren kann und wofür ich kämpfen und was ich unbedingt aufrecht erhalten muss. Und gleichzeitig hat man durch den Aspekt, selbst etwas zur Situation hinzu zu fügen, auch immer ein gestalterisches Moment in der Hand, ist also nicht zur Passivität und Hilflosigkeit verdammt. Das fand ich sehr einleuchtend und sehr berührend.