Impro

Über das fröhliche Scheitern

Es gibt kein fröhliches Scheitern. Das ist jetzt natürlich eine steile These für mich als Impro-Spielerin. Sprüche wie: „The master has failed more times than the beginner has ever tried!“ (Steven McCranie) sind zwar hübsch fürs Poesie-Album und entbehren (wie die meisten Poesie-Album-Sprüche) nicht einer gewissen Wahrheit. Dennoch: ich habe gestern, nachdem ich nach Ewigkeiten mal wieder bei einem Hula Hoop Kurs war, gemerkt, wie frustrierend es ist, ein paar Dutzend mal die gleiche Bewegung / Übung zu machen und es einfach nicht so hin zu kriegen, wie es „richtig“ ist. Natürlich kann man schon bei diesem Begriff ansetzen und fragen: „Was ist denn überhaupt richtig?“ – hier wird eher ein Schuh draus mit dem Impro, wo es richtig und falsch in dem Sinne nicht gibt, sondern nur Gefallen und Nicht-Gefallen – und das ist total subjektiv. Aber zurück zum Hula Hoop: Ich finde das nicht angenehm, dieses Üben und immer wieder daran Scheitern. Wie frustrierend muss es sein, Klavierspielen zu lernen! Das Scheitern macht mir schlechte Laune und Frust.

Normalerweise versuchen wir Menschen, Leid zu vermeiden. Das Problem entsteht dann, wenn wir bestimmte Dinge gar nicht mehr probieren, weil wir Angst vorm Scheitern haben, weil dieses Scheitern uns eben Leid verursacht. Damit schränken wir unsere Handlungsoptionen in quasi vorauseilendem Gehorsam erheblich ein – aber aus, wie ich finde, sehr nachvollziehbaren Gründen, denn wer möchte schon mehr Leid in seinem Leben haben?

Was hilft also? Im Prinzip nicht viel, denke ich – außer: Aushalten. Das kann man als Frustrationstoleranz, Resilienz oder wie auch immer bezeichnen. Für mich trifft es das Wort „Aushalten“ am besten. Und das finde ich alles andere als einfach.

Natürlich gibt es auch dieses andere Scheitern: Dieses, wo aus den Trümmern der in Schutt und Asche liegenden Option etwas Neues, anderes, vielleicht sogar Besseres wird. Dieses Scheitern ist das, das wir beim Impro versuchen zu kultivieren. Aus den „Trümmern“ des Plans eines Spielers wird durch das Akzeptieren und das flexible Reagieren der Mitspieler etwas Neues, möglicherweise viel Tolleres, als wenn der ursprüngliche Plan in die Tat umgesetzt worden wäre. Und wir haben auf der Bühne gar keine Zeit, unserer in Trümmern liegenden Option nachzutrauern und daran zu leiden.

Im Leben, und in Kontexten oder Situationen, wo es „einen richtigen Weg“ gibt, etwas zu tun (wie z.B. beim Hula Hoop, dem Spielen von „Für Elise“ oder der Zubereitung eines Soufflés), hat man diese Flexibilität jedoch oft nicht. Wenn man etwas nicht so ausführt, wie es die Situation oder das Konzept vorsieht, scheitert man. Und daran leidet man. Und da hilft nur: Aushalten.

Jetzt staunt möglicherweise der Laie und der Fachmann wundert sich: Was, wenn wir tatsächlich irgendwann mal Erfolg haben, und unsere unzähligen Versuche und das viele Üben sich gelohnt haben, und wir diese Sache jetzt hin kriegen? Macht der letztendliche Triumph das Leid, das uns das Scheitern zugefügt hat, nicht wieder wett? Diese Frage muss jeder für sich selbst beantworten. Ich habe für mich in diesem Punkt noch zu keiner endgültigen Antwort gefunden. Aber was bleibt einem übrig, als es immer wieder zu versuchen, wenn man nicht „stecken bleiben“ will?

Nachtrag 07.12.2015
Inzwischen habe ich genug geübt, dass ich alle diese Hula Hoop Tricks, die mich vor gut 1,5 Monaten so haben verzweifeln lassen, eigentlich ganz gut hin bekomme. Bereits am Abend des selben Tages an dem ich diesen Artikel schrieb, und mit einem anderen Reifen klappte der eine Trick, der mich im Training schier verzweifeln ließ, plötzlich einwandfrei und klappt auch seitdem. Ich möchte Euch also einladen, wenn etwas nicht klappt, einfach weiter daran zu üben – auch wenn der Prozess des Übens selbst oft frustrierend sein kann, aber ich denke, hier muss man wirklich einfach durch und das „aushalten“. Und schon eine kleine Pause und etwas Abstand zwischen den Übungseinheiten können hier Wunder bewirken. Bei mir half es außerdem, die „äußeren Parameter“, also den Hula-Hoop-Reifen, zu ändern. Vielleicht probiert Ihr in Euren Übungskontexten auch einfach damit etwas rum. Wenn man etwas „zu doll“ will, ist die Gefahr hoch, dass man sich verkrampft – und das ist oft eine schlechte Voraussetzung fürs Gelingen einer Sachen. Daher in so einem Fall: Pause machen, was anderes tun, Kopf frei bekommen – weiter üben!

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Podcast Nr. 28 – Peter Nordstrand über seine Arbeit und das erste Göteborger Improfest

Beim ersten Auswärts-Gig meiner Impro-Gruppe „die Improbanden“ im Rahmen des Göteborger Improfests Ende letzter Woche hatte ich Gelegenheit, mit dem Initiator des Festivals, Peter Nordstrand, im Backstage-Bereich des Aftonstjärnan Theaters zu sprechen (welcher übrigens die Überbleibsel einer original schwedischen Wohnung aus dem 20. Jahrhundert enthält). Ich spreche mit Peter über ihn, über Impro und natürlich über das erste Improfest in Göteborg, das für mich ein wunderbares und unvergessliches Erlebnis bleiben wird! Viel Spaß beim Reinhören!

Peter Nordstrand im Backstage-Bereich des Teater Aftonstjärnan

Peter Nordstrand im Backstage-Bereich des Teater Aftonstjärnan

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Muster

Ich weiß nicht, warum, aber aus irgendeinem Grund sucht mein Verstand immer und überall nach Mustern – nach gleichförmigen, reproduzierbaren Strukturen in den unterschiedlichsten Dingen und Kontexten. So auch im Impro. Dort habe ich jüngst (in den letzten Stunden) folgende „Epiphany“ gehabt, was die Muster angeht, indem mir folgende zwei Grundmuster klar geworden sind:

1. Es geht die ganze Zeit darum, das im Alltag so vertraute und oft gesehene (ob bei pubertierenden Kids in der U-Bahn oder auf Regierungs-Ebene in manchen Staaten) Muster von Dominanz und Unterwerfung durch das Muster der Kooperation zu ersetzen – also nicht die Führung aufgrund von Dominanz und Stärke zu haben, sondern zu führen indem ich dem Geführten und seinen Bedürfnissen ein Stück weit folge (und er mir), so dass es am Ende gar keinen ganz klar Führenden mehr gibt. Und das fällt den meisten Menschen – in meiner Wahrnehmung – nicht leicht. Ich habe gegrübelt, warum das so ist, ob dieser Wunsch nach Dominanz, nach Führung irgendeine anthropologische Konstante oder sowas ist; unser „Ego“ eben. Und, ich glaube, unser „Ego“ ist so eine anthropologische Konstante, die JEDER von uns mitbringt, und wir müssen daran arbeiten, dieses halbwegs in Schach zu halten zugunsten von Kooperation. Nicht umsonst geht es auch in so vielen Religionen darum, genau dieses Ego „zu überwinden“. Denn Kooperation scheint mir doch auf so vielen Ebenen (rational und emotional) die vernünftigere, sinnvollere, angenehmere, freundlichere, entspanntere Wahl zu sein im Vergleich zum ewigen Status-, Kompetenz- und Führungsgerangel der Menschen. Im Impro drückt sich dieses Dominanz-Gerangel durch „Blocken“ aus: „Nein, wir spielen nicht Deine Geschichte, wir spielen meine Geschichte! Nänänänänä!“ Dieses Verhalten sehe ich selbst bei den erfahrensten, professionellsten Impro-Spielern immer wieder. „Dabei müssten die es doch besser wissen!“ denke ich mir dann – wissen sie auch, aber es ist eben ein Unterschied zwischen Wissen und Umsetzung. Darum sind für mich die besten Impro-Spieler tatsächlich nach vor die, die in (fast) allen Umständen in der Lage sind, kooperativ zu spielen, denn so entsteht der beste Flow. Und dies ist absolut Tagesform-abhängig. „Kooperativ“ zu spielen, unser Ego und die altbekannten und vertrauten Muster von Dominanz und Unterwerfung hinter uns zu lassen, kostet viel Energie und „Gewahr-Sein“, und die hat man eben nicht immer.

2. Es geht beim Impro immer um die Vereinbarkeit bzw. ein Zusammenspiel von „rechter“ und „linker“ Gehirnhälfte bzw. den „Tugenden“, für die diese stehen: Früher fand ich es ganz toll, wenn Impro „intuitiv“ passiert, aus dem Bauch heraus, „im Flow“ – das finde ich auch immer noch! Aber es braucht eben auch den Verstand, um etwas wirklich Großes daraus zu machen. Ich muss in der Lage sein, mich an bestimmte Elemente der Geschichte zu erinnern und diese sinnvoll „einzusammeln“, mit dem zu verknüpfen, was schon da ist. Wenn ich mich aber nur auf meinen Verstand verlasse und an das Verknüpfen, Zusammenführen und Analysieren dessen, was schon da ist und was noch gebraucht wird, denke, wird es nicht gut. Umgekehrt wird es aber eben auch nicht gut, wenn ich nur „aus dem Bauch heraus“ spiele, wie mir gerade ist, und Angebot über Angebot mache – am Ende viel zu viele, um sie alle „zu bedienen“. Deshalb ist eben auch hier das „Sowohl als auch“ so entscheidend, und die gute Mischung von Kopf und Bauch, um es mal ganz platt zu sagen. Eine nicht gut austarierte Balance dieser beiden Elemente führt zu einem Missklang – bei einzelnen Spielern genauso wie bei ganzen Ensembles.

Ich bin mir sicher, es gibt viele weitere Grundmuster, die sich beim Impro offenbaren. Und mein Verstand wird auch sicherlich weiterhin danach Ausschau halten. Vielleicht wisst Ihr ja auch ein paar!?

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Impro ist Kommunikation im Vergrößerungsglas

Hach, gerade merke ich wieder, wie sehr ich Impro doch liebe!! Wie schon manchmal war es leider eine der nicht so gelungenen Shows, die mir einige interessante Aha-Erlebnisse beschert hat. Das tut mir Leid für meine Kollegen von den Improbanden, die teils sehr niedergeschlagen waren, aber auf der positiven Seite bieten diese Gelegenheiten einige exzellente Learnings! Da ich an besagtem Abend noch mit den Ausläufern einer Erkältung zu kämpfen hatte, habe ich in der Show nicht mitgespielt und bin in die Rolle des Zuschauers geschlüpft; diese Möglichkeit, das Ganze aus der Außenperspektive zu betrachten, hat mir einige noch interessantere Einsichten ermöglicht, als ich sie vielleicht als Mitspieler gehabt hätte.

Wie ich schon früher einmal geschrieben habe, bedeutet Impro für mich den Umgang mit Ambivalenzen. Wenn wir in einer neuen Szene nicht schon direkt nach dem Aufgang klipp und klar definieren, wer wir sind, wo wir sind und was unsere Beziehung zu der anderen Figur ist, haben wir immer ein bestimmtes Maß von Ambivalenz mit dem wir umgehen müssen und das zu Missverständnissen und „Fehlern“ führen kann (genau wie es im wirklichen Leben ja auch ist). Im Impro bietet sich uns nun die wunderbare Möglichkeit, dies im Moment zu klären, indem man Fehler offen (in der Rolle / Figur!) anspricht: „Was tust Du da? Ich verstehe es nicht!“ – „Oh je, wenn schon Du als mein bester Freund nicht verstehst, was ich hier mache, wie soll ich dann jemals ein guter Flugbegleiter werden?“

Von da an nimmt die Szene möglicherweise einen anderen Verlauf, als beide Spieler sich das bei ihrem Aufgang gedacht haben – bereits im Kopf vorbereitete Pläne und Szenenabläufe sind also nutzlos. Und das ist auch etwas, das ich so wunderbar finde! Das Leben (bzw. das Impro) bietet uns manchmal Gelegenheiten, die wir uns nicht hätten ausdenken können; es ist wunderbar, wenn man darauf aus dem Moment heraus reagiert und die Sachen weiter führt; das ist der Zustand, den ich auf der Bühne als „Flow“ wahr nehme, und den ich mit meinem Spiel erreichen möchte.

Gleichzeitig trainiert es den spielerischen, leichten Umgang mit „Fehlern“. „Scheiter heiter“ ist der Impro-Grundsatz, der für mich die längste Zeit die größte Herausforderung dargestellt hat; aber langsam komme ich dahinter, was damit eigentlich gemeint ist. Es bedeutet im Grunde einen spielerischen Umgang mit unseren Fehlern. Wenn ein „Fehler“ passiert, ist dies eben kein Weltuntergang, sondern kann ein wunderbarer Impuls sein, der der Szene und der Geschichte eine ganz neue Wendung gibt. Im Gegenteil, es ist nicht nur kein Weltuntergang, sondern diese „Fehler“ ermöglichen es uns erst, unsere am Bühnenrand möglicherweise vorgefertigten Pläne über Bord zu werfen und wirklich im Moment zu sein, im Flow.

Hierzu wird der Fehler jedoch nicht „unter den Teppich“ gekehrt, sondern öffentlich gemacht und als Impuls / Input für die weitere Szenengestaltung genutzt. Das Publikum hat „den Fehler“ sowieso bemerkt und findet es um so toller, wenn wir ihn in das Geschehen einbauen, so dass er sich nahezu nahtlos einzufügen scheint. Das ist die Magie des Impro-Theaters für Zuschauer und Spieler. Und diese fordert ein hohes Maß an Konzentration und Aufmerksamkeit von den Spielern. Daher ist es wichtig, nach Möglichkeit immer 100% Energie zu geben. Ich rate daher davon ab, krank (erkältet) oder angetrunken auf die Bühne zu gehen.

Wie ja hier bereits gesagt, hilft es, so klar wie möglich zu sein, um bestimmten Fehlern und Missverständnissen vorzubeugen. D.h. meinen Mitspielern klar und deutlich zu machen, ob ich auf der Bühne oder im Off bin. Mich bei Abgängen nicht zögerlich „davon zu schleichen“, und wenn doch, dann dies klar machen („Ach Freund, ich bin so niedergeschlagen / müde / gebrechlich und gehe mich etwas hinlegen.“), so dass klar ist, dass nicht der Spieler zögerlich von der Bühne schleicht, sondern die Figur.

Auch hier ist Impro wieder ein Vergrößerungsglas für (Alltags-)Kommunikation, in der es hilft, seinen Mitmenschen gegenüber klar zu sein und ihnen klar zu machen, was man will (so man dies denn selber weiß – was häufig wohl die größte Herausforderung darstellt).

Um einem Missverständnis vorzubeugen: Zu klar sein ist langweilig („Hallo Roswita, meine geliebte Ehefrau, wie geht es Dir hier in unserem Wohnzimmer an unserem 25. Hochzeitstag?“). Hin und wieder eingestreut sind solche Szenenanfänge witzig, weil sie mit der Übertreibung spielen. Aber wenn jeder Spieler permanent klipp und klar verbalisiert, wer die Figuren sind und wo sie sich befinden, wird es dröge. Impro ohne Ambivalenzen ist langweilig (ganz abgesehen davon, dass es glaube ich ziemlich unmöglich ist). D.h. wir brauchen diese Unklarheiten, diese „Fuzziness“, die uns die Fehler und Missverständnisse ermöglicht, aus denen etwas Neues entstehen kann. Wir müssen lediglich lernen, damit umzugehen, und diese nicht auf der Bühne „abzustrafen“, indem uns unsere Gesichtszüge entgleisen oder wir unsere Mitspieler möglicherweise sogar noch berichtigen; sondern offen sein, Unklarheiten und Fehler (spielerisch) ansprechen, den eigenen Plan über Bord werfen und sich auf etwas ganz Neues einlassen! Genau wie im Leben! 🙂

Wenn der Mitspieler offenbar gerade auf dem Schlauch steht und nicht erkennt, was man macht: Nicht ärgerlich mit ihm sein, dass er es nicht versteht, obwohl man es doch so deutlich macht, sondern ihm helfen, indem man es ihm erklärt – nicht „vorwurfsvoll“ da ran gehen („Er ist so blöd, dass er es nicht peilt!“ – „Es war voll unklar, was er gemacht hat!“), sondern wertschätzend („Er steht auf dem Schlauch, das tut mir Leid, ich muss ihm helfen!“ – „Er tut irgendwas, aber ich habe absolut keine Ahnung, was es ist – ich werde mal fragen!“)

Eine besondere Rolle kommt hier in der Show der Moderation zu: Diese sollte idealerweise besonders klar sein im Auf- und Abgehen, aber auch in der Kommunikation. D.h. Ambivalenzen möglichst vermeiden und so klare Ansagen machen, wie möglich. Die Spieler sollten ihrerseits diese Rolle anerkennen und den Moderator nicht korrigieren oder anfangen, mit ihm zu diskutieren (auch hier bestätigen Ausnahmen natürlich die Regel, denn auch ein Moderator kann mal auf dem Schlauch stehen und etwas vergessen und auf die Hilfe seiner Mitspieler angewiesen sein). Man sollte sich jedoch bewusst sein, dass jeder Widerspruch ggü. dem Moderator dessen Position schwächt und es ihm schwer macht, klar zu sein / zu bleiben, was ich als eine seiner Hauptaufgaben ansehe: Er hat die Aufgabe, den Fahrplan / den Ablauf den Zuschauern klar zu kommunizieren, ohne gleich alles zu verraten und es zu deutlich zu machen, denn dann wird es langweilig. Jede Show braucht Überraschungsmomente. Auch die Zuschauer haben ein Recht darauf, ins kalte Wasser geworfen zu werfen und etwas Unerwartetes zu erleben. Wie viel man vorher schon preis gibt und was man nicht ansagt, darüber gibt es bei uns immer viel Diskussion. Es gibt hier kein Richtig oder Falsch, diese Dinge sind komplett kontext-sensitiv und können nur „nach Gefühl“ entschieden werden – was es noch schwieriger macht, da jeder eben ein anderes Gefühl hat.

Gibt es eine Regel für den Einsatz von oder bestimmte Gags, die der Moderator auswendig lernen kann? Nein, auch die gibt es nicht. Der Moderator muss sich komplett auf sein Gefühl verlassen und extrem präsent und im Moment sein, um Stimmung und Angemessenheit von „Sprüchen“ und Rumfrotzeleien abschätzen zu können – und kann damit natürlich auch mal daneben liegen. Sätze wie „Schön, Sie alle da geblieben und nicht in der Pause nach Hause gegangen sind!“ können witzig sein, wenn die Stimmung im Publikum (und bei den Spielern!) aus der ersten Hälfte heiter und ausgelassen ist. Wenn die Stimmung eher moderat, oder sogar besinnlich ist, wirkt so ein Spruch unpassend. Ähnlich ist es um das Rumfrotzeln des Moderators mit den Mitspielern bestellt: Ist die Stimmung zwischen den Spielern gut und ausgelassen und klar, dass es sich um Spaß handelt, können solche Rumfrotzeleinen untereinander für das Publikum sehr amüsant sein.

Nicht jeder kann es sich erlauben, wie Kurt Krömer sein Publikum zu verarschen. Tendenziell würde ich von Gags und Sprüchen, die auf Kosten des Publikums gehen, eher Abstand nehmen und meine Zuschauer mit Respekt und Wertschätzung behandeln. Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel, wie Kurt Krömer ja anschaulich demonstriert.

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Workshop: Kollaboratives Spiel für IT-ler

Ende Februar werden macro und ich zusammen einen Workshop geben, der sich speziell an IT-ler richtet: Unser Ziel ist es, gemeinsam mit den Teilnehmern im Workshop neue Wege und Formen für Kooperation und Kommunikation zu entdecken, und diese nutzbar zu machen. Wir werden dabei mit Werkzeugen und Übungen aus dem Impro-Theater arbeiten, da diese super dazu geeignet sind, Zusammenarbeit und „Teamwork“ anschaulich zu machen. Außerdem lernen unsere Teilnehmer, ihre Präsentations-Skills zu schärfen und „andere geistige Muskeln zu trainieren“.

Der Workshop geht über ein Wochenende (2 Tage à 6 Stunden) und findet im Fliegenden Theater, in Berlin Kreuzberg statt (Urbanstraße 100, Nähe U-Bhf. Hermannplatz).

Weitere Infos zum Workshop und Anmeldung gibt es hier auf unserer Improbanden-Seite, oder auf Xing. Wer sich jetzt anmeldet, kann noch den Early-Bird-Tarif von 145,- EUR nutzen.

Übrigens sind auch alle nicht IT-ler im Workshop herzlich willkommen! 🙂

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Klarheit

Wie so häufig verhält es sich mit dem Thema „Klarheit“ im Impro ähnlich wie der zwischenmenschlichen Kommunikation im Alltag: Sie ist oft sehr hilfreich und ermöglicht mitunter ein größeres Maß an Freiheit, weil man bestimmte Dinge einfach aus dem Kopf nehmen kann, von denen man weiß, dass man sie so oder so sind bzw. gemacht werden.

Ein zentrales Merkmal des Improvisationstheaters ist es, dass es kein Richtig und kein Falsch gibt. Dieser Umstand erzeugt einen hohen Grad am Ambivalenz und Unsicherheit, mit dem man erst einmal umgehen muss. Viele von uns Menschen streben jedoch nach einem Zustand größtmöglicher Sicherheit und der Abwesenheit von Ambivalenzen. Das ist beim Impro-Theater nicht anders – darum sehen wir mitunter Szenen, die eine Weile brauchen, bis sie in Fahrt kommen, da die Leute sich erst vorsichtig „abtasten“ (wer bist Du und wer bin damit ich, was machen wir hier eigentlich, vielleicht, und worum könnte es jetzt gehen?).

Klarheit schafft in vielen Dingen oft ein größeres Maß an gefühlter Sicherheit, und sorgt damit dafür, dass Energiereserven, die möglicherweise in der Unsicherheit gebunden werden, für andere Dinge frei gesetzt werden können. Damit schafft Klarheit auf eine gewisse Weise auch ein höheres Maß an Freiheit und Handlungsspielräumen.

Gerade deshalb, also weil Impro nicht sicher ist und ein hohes Maß an Ambivalenz mitbringt, ist es m.E. hilfreich und sinnvoll, beim Impro nach größtmöglicher Klarheit in den Bereichen zu streben, wo es möglich ist, z.B. in spieltechnischen oder Format-bezogenen Dingen, in Abläufen oder in der Moderation.

– Auswahl der Showformate vor der Show: Was wollen wir spielen? In welcher Reihenfolge wollen wir es spielen? Als wir noch unsere ersten Auftritte hatten, haben wir sogar abgesprochen, wer welche Formate spielt.

– Absprachen einhalten: Wie spielen wir ein bestimmtes Format / ein bestimmtes Spiel? Spielen wir die „Freeze Tags“ mit Positionsübernahme oder ohne? Nehmen wir in ein „Pre-quel“ etwas Szenisches mit hinein oder ist es nur der kleine Rahmen für eine darauf folgende Szene? Singen wir heute, oder nicht? Vor der Show dazu getroffene Vereinbarungen in der Gruppe sollten, im Sinne größtmöglicher Klarheit, eingehalten werden; so hat man Kopf und Energien für andere Dinge frei.

– Klarheit beim „Rausklatschen“ von Spielern: Wenn sich ein Spieler von außen in eine Szene rein klatscht, sollte er dies von außen möglichst laut und deutlich machen, und die Spieler auf der Bühne in dem Moment einfrieren. Anschließend kann der rein kommende Spieler klar die Person antippen, die er oder sie ablösen möchte. Was ich häufig sehe: Jemand von außen rennt in eine Szene, klatscht, die beiden anderen spielen entweder trotzdem weiter oder rennen alternativ beide von der Bühne weil nicht klar gemacht wurde, wen der hereinkommende Spieler ersetzen möchte; der Effekt in beiden Fällen: Chaos.

– Wenn Du raus geklatscht wirst: friere sofort ein, wenn jemand klatscht; spiele nicht noch weiter und renne nicht unverzüglich raus; warte, ob Dich jemand antippt, um Dich raus zu schicken (s.o.)

– Klar machen, wenn man „fertig“ ist, indem man z.B. durch die Art, wie man etwas sagt, den anderen signalisiert „Hier setze ich jetzt einen Beat“, anstatt in einem undefinierten Redeteppich fortzufahren, bis jemand sich erbarmt, einen abzulösen.

– Aufgang / Abgang: Wenn das Licht aus geht, ist die Szene zu Ende; wenn man weiter spielt, zerfasert ein möglicherweise pointiertes Ende einer Szene und hinterlässt Verwirrung bei Zuschauern und Spielern. Respektiert die Entscheidungen von Lichtmann und Moderator und folgt ihnen!

– Wenn Du in eine bestehende Szene rein kommst, habe einen Grund oder ein Ziel (keinen vorgefertigten Ablauf oder eine Geschichte im Kopf); geh nicht einfach rein, nur weil Du auf der Bühne sein willst; das erzeugt Irritation im Zuschauerraum und bei Deinen Mitspielern; überlege Dir vorher gut: Brauchen die anderen Spieler auf der Bühne mich jetzt gerade, oder kommen sie auch ohne mich klar? Und gehe nur dann rein, wenn Du glaubst, dass die Szene durch Deine Figur gewinnt, oder wenn die anderen wirklich gerade Hilfe brauchen; das gleiche gilt übrigens auch für Passenger: Passenger sind eine schöne Sache, aber wenn unpassend oder zu dominant, erzeugen sie eher Irritation, als eine Szene auszustaffieren

Schafft man es, diese Dinge einzuhalten, ermöglicht dies m.E. ein größeres Maß an spielerischer Freiheit, weil die Ambivalenzen eingegrenzt werden – zumindest ist das bei mir so.

Wenn ein Ensemble gut eingespielt ist und aufmerksam aufeinander achtet, bietet es sich auch an, diese Absprachen irgendwann wieder etwas „zu lockern“, und bei Freeze Tags z.B. fließendere Übergänge zu machen. So lange dies jedoch nicht der Fall ist, bin ich ein Fan von größtmöglicher Klarheit in den Dingen, die Klarheit erlauben. Chaos bringt das Impro schon von sich aus genug mit 🙂

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Wann ging das eigentlich verloren?

Eigentlich ist der Anlass dieses Posts meine Traurigkeit über einen Verlust. Und es ist auch ein kleiner Rant – ob gegen mich, oder gegen die Welt… Das ist mir noch nicht so ganz klar. Aber ich frage mich in letzter Zeit immer häufiger: Wann ging in meinem Impro-Leben eigentlich der Impro-Spirit so verloren? Ich fand Impro mal so toll, weil es ein sicheres Umfeld ist, in dem man sich nicht gegenseitig bewertet. In dem man keine Angst haben muss. In dem es keinen Konkurrenzkampf gibt, sondern nur ein Miteinander. In dem es nicht um persönliche Profilneurosen geht, sondern darum, etwas gemeinsam zu schaffen, in einer offenen Begegnung.

Jetzt, ca. fünf Jahre und viele Impro-Erfahrungen reicher, schaue ich auf die Impro-Szene und sehe viele dieser Dinge nicht mehr. Statt Kollaboration nehme ich Konkurrenz wahr (wer ist größer, lauter, schriller – wer schafft es, mehr Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen). Statt der Suche nach der Verbindung sehe ich allerorten Ego-Gewichse und Profilneurosen.

Der „Geist des Impro“ stand für mich auch immer für die Freiheit von Dogmatismus. Und nun sehe ich so viele Impro-Leute und Veröffentlichungen, die so dogmatisch sind: „Wir spielen grundsätzlich keine Games.“ – „Ich spiele keine Prostituierten / Drogendealer / XY.“* – „Bei Auftritten trägt man auf gar keinen Fall diese und jene Kleidung.“** – um nur ein paar Beispiele zu nennen. Irgendwie macht mich das immer ein bisschen traurig, wenn ich sowas höre. Und oft genug auch wütend.

Und Bewertungen. Überall Bewertungen. „Der XY ist ein guter Spieler.“ „Die hat da und da geblockt.“ „Das war totaler Mist.“ Wann hat Impro für mich eigentlich aufgehört, dieses Ding zu sein, dass frei von dem ganzen Mist ist, mit dem wir im Rest der Welt ständig konfrontiert sind? Wann ist Impro für mich „zum Rest der Welt“ geworden? Ich weiß es nicht mehr genau, aber irgendwo ist dieser tolle, unbedarfte Spirit vom Impro, in den ich mich am Anfang so verliebt habe („Hey, da geht ja plötzlich was, wenn man einfach mal akzeptiert, anstatt blockiert!“) und diese Sicherheit, die durch die Freitheit von der Angst vor Bewertungen durch andere entsteht, verloren gegangen. Und Impro ist damit ein bißchen mehr genau der gleiche Affenzirkus und das gleiche Rat Race geworden, wie der Rest der Welt.

Ich weiß, dass Impro-Spieler auch „nur“ Menschen sind, und deshalb auch weiter von Eitelkeiten und Unsicherheiten geplagt werden. Und dass vielleicht gerade die Leute, die Impro machen und gut finden, es aus den gleichen Gründen gut finden, wie ich: Weil es eben eine angst- und bewertungs-freie Umgebung bieten kann. Weil es uns erlaubt, im Moment zu sein und in diesem uns wirklich zu begegnen, offen und ohne Vorurteil. Dass gerade die Menschen zum Impro finden, die sich nach derlei Dingen sehnen, spricht vermutlich für sich. Nur leider schüttelt man eben alte Muster nicht so einfach ab.

Daher ist mein Plädoyer: Hört nicht auf zu probieren, den Impro-Spirit in die „wirkliche Welt“ zu tragen! Ihr macht sie damit ein bisschen besser.

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* Anmerkung: Ich finde es durchaus in Ordnung, wenn jemand aufgrund persönlicher Erfahrungen bestimmte Dinge nicht spielen möchte; wenn z.B. eine Frau ihr Baby verloren hat, kann ich nachvollziehen, wenn sie keine derartige Szene spielen möchte; was ich hier meine ist das kategorische Ausschließen bestimmter Rollen weil man sie für „schlecht“ hält.

** Mir ist bewusst, dass diese Art absolutistuscher Aussagen möglicherweise nur eine augenzwinkernde Inkarnation des Prinzips „Behaupten“ ist, das beim Impro ja ebenfalls eine große Rolle spielt. Ich mag sie trotzdem nicht.

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Ein verbreitetes Mißverstädnis im Impro

„Akzeptieren“ beim Impro bedeutet nicht, dass ich jedes Problem, jeden Konflikt (jedes „Nein“ einer Figur) in einer Impro-Szene abwehre und alles immer eitel Sonnenschein ist. Akzeptieren heißt vielmehr: Die Realität meines Spielpartners akzeptieren. Das heißt vor allem erst einmal: Aufmerksam sein, was mein Partner eigentlich in seiner Rolle möchte. Und das dann nehmen, und darauf aufbauen. Und wenn mein Partner versucht, im Spiel ein Problem zu etablieren, dann heißt das nicht, dass ich das Problem um „des Akzeptierens willen“ versuche, zu lösen oder zu negieren (das wäre in diesem Fall tatsächlich eher der „Block“), um ihn zum Akzeptieren „zu bringen“, sondern dass ich ein Gespür entwickle: Worauf möchte mein Partner hier hinaus? Und diese Realität nehme und darauf aufbaue, meinen Teil darauf setze (Zug-um-Zug).

Es ist, wie ich in meinem Podcast von vor ca. einem Jahr schon gesagt habe: Es geht darum, sich von der Vorstellung eines „Plans“ zu trennen, nicht die Kontrolle über das Bühnengeschehen übernehmen zu wollen, sondern den Beitrag des anderen zu akzeptieren und meinen Teil darauf zu setzen – „Yes, and…“ eben.

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Impro ist Teamwork.

Impro ist Teamwork.

Das klingt wie die trivialste Wahrheit überhaupt, ist aber oft nicht selbstverständlich. So auch nicht in meiner Impro-Gruppe. Impro ist ein Teamsport wie kaum ein anderer. Die Spieler und ihre Aktionen greifen idealerweise wie Zahnrädchen ineinander. Damit das passieren kann, braucht es jede Menge Vertrauen. Mit Vertrauen meine ich zum Beispiel: „Ich vertraue, dass wenn Du meine Szene unterbrichst oder abbrichst,  das nicht als Kritik an mir und meinem Spiel meinst.“ Viele von uns Menschen (ich allen voran) tendieren dazu, in fast jeder Handlung oder Interaktion eine implizite Beziehungsbotschaft abzulesen, denn mindestens 50% des Inhalts einer Kommunikation (und ich betrachte jedes Verhalten, jede Handlung in diesem Sinne als „Kommunikation“) werden vom Empfänger und dessen Denk- und Wahrnehmungsmustern bestimmt, und nur 50% vom Sender. Und leider lesen wir häufig negative Beziehungsbotschaften in etwas. Und so passiert es schnell, dass Groll und Unmut da sind und nicht darüber gesprochen wird. Bei uns war es z.B. so, dass selten über „Befindlichkeiten“ gesprochen wurde, und in einer kürzlich geführten Gruppendiskussion kam eine regelrecht negative Konnotation dieses Wortes „Befindlichkeit“ an den Tag. Warum eigentlich? Ich bin jemand, die gerne und viel über ihre Befindlichkeiten redet, denn wenn ich das nicht tue, ziehe ich innerliche Schlüsse und Werturteile, die für den anderen oder mich nicht immer hilfreich sind. Mir hat das wirklich gefehlt, habe ich gemerkt, denn für mich ist das wichtig, um den „zwischenmenschlichen Kitt“ in einer Gruppe aufzubauen, den Halt unter- und miteinander.

Klar, wir treffen uns eigentlich, um Impro zu machen, aber hier beißt sich die Katze in den Schwanz: Eben weil Impro ein Teamsport ist wie kein anderer, ist der zwischenmenschliche Kitt so wichtig. Eigentlich finde ich, fast wichtiger als alles inhaltliche Trainieren und Üben am Impro selber, denn wenn das „zwischen den Spielern“ nicht stimmt, können ihr Spiel und ihre Aktionen nicht wie Zahnrädchen auf der Bühne ineinander greifen, dann rumpelt es eben auch auf der Bühne. Dieses Rumpeln kann man mit guten Ideen, Gags und schauspielerischem Geschick recht gut ausbügeln und dennoch unterhaltsame Shows spielen. Nur das eigentlich „teamige“, das Erschaffen einer neuen Realität gemeinsam in dem Moment auf der Bühne, bleibt dabei auf der Strecke.

Die wenigsten von uns (jedenfalls ist das bei uns in der Gruppe so) sind mit einem Selbst- oder Weltvertrauen (ist für mich eigentlich das gleiche) gesegnet, das sie die Welt und die anderen nur durch eine rosarote Brille sehen lässt und alle deren Handlungen stets wohlwollend und wertschätzend interpretiert. Meistens sind wir skeptisch und wittern Ablehnung und Urteil (das gilt in zehnfachem Maß übrigens nochmal für schriftliche Kommunikation via E-Mail). Sonst ergäbe sich dieser „Kitt“ ja automatisch und es wäre nicht so ein Thema. Und genau deshalb müssen wir darüber sprechen! Oder zumindest ICH muss bzw. möchte darüber sprechen, um die Missverständnisse, die in meinem Kopf entstehen, das, was ich sonst an Motiven usw. in DICH rein projiziere, klar zu stellen und aus dem Weg zu räumen! Um Dich zu verstehen! Und deshalb brauche ich diese Art „Metakommunikation“ über die Kommunikation. Das ist nicht bei jedem so, manche – auch bei uns in der Gruppe – sind freier von solchen Verhaltensmustern, als andere, und bedürfen daher solcher Befindlichkeitsaustausche und Klärungen weniger. Für sie fällt das eher unter die Kategorie „Zeitverschwendung“ und sie würden lieber wieder am Inhaltlichen arbeiten. Aber, um den Kreis abermals zu schließen: Das Vertrauen untereinander ist für das Zusammenspiel essentiell, und hier sind wir eben nicht alle gleiche „pragmatisch“ orientiert, sondern einige „pragmatischer“ (verstandesmäßiger – „ich möchte lediglich die Sache selbst üben, das Handwerk – das gute Zusammenspiel ergibt sich schon durch fortschreitende Beherrschung des Handwerks bei jedem einzelnen“) und andere „befindlicher“ (gefühlsmäßiger – „ich brauche ein gewisses Verbundenheitsgefühl zur und mit der Gruppe, um an der Sache selbst üben zu können, nur so kann ich mich auch im Handwerk verbessern“). Es gibt hier kein Richtig oder Falsch, keine Formel, wie eine Gruppe das gut für sich lösen kann. Die „Wahrheit“ ™ erschaffen hier die Beteiligten miteinander.

Unser Zusammenspiel und damit unsere Shows sind über die letzten Monate viel besser geworden, finde ich. Und das hängt meinem Empfinden nach auch damit zusammen, dass wir einander mehr und mehr vertrauen. Und mit Vertrauen meine ich: „Ich vertraue, dass Du mich prinzipiell magst und akzeptierst, wie ich bin, und mich nicht ändern willst.“ Wenn diese Grundhaltung gegeben ist, dann werden Aussagen auch nicht mehr so schnell auf der Beziehungsebene interpretiert, und man kann auch mal rumalbern und „rumarschen“, ohne dass es gleich als Angriff empfunden oder an der prinzipiellen Verbundenheit und Wohlwollen der anderen gezweifelt wird.

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Cartoon-Impro

Ich habe dieses Wochenende das zweite Mal einen Workshop von Lee White besucht, den ich genauso schon einmal vor zwei Jahren gemacht hatte. Peter aus meiner Gruppe hatte damals ausführlich darüber berichtet. Manch einer denkt jetzt vielleicht: „Häh? Zwei Mal den gleichen Workshop machen? Warum?“ Aber, was soll ich sagen – ich fand es sehr erhellend (abgesehen davon, dass es äußerst unterhaltsam war). Ich habe das ganze Thema noch einmal aus einem anderen Blickwinkel betrachten können. Das Storytelling- oder Konflikt-Schema, das Lee White unterrichtet, habe ich inzwischen mehrfach und in verschiedenen Spieler-Konstellationen versucht, umzusetzen. Das gibt einem noch einmal eine ganz andere Grundlage, auf der man den Workshop-Inhalt betrachten kann. Meine größte neue bzw. wiedererlangte Erkenntnis ist, wie „cartoonig“ das Lee-Whit’sche Storytelling-Schema doch in Wahrheit ist! Im Gegensatz zu Peter aus meiner Gruppe, der von dieser Form ja gerne als dem „existenzialistischen Drama der Crumbs“ spricht, empfinde ich diese Art der Szenengestaltung als extrem an die klassischen Looney Tunes Cartoons angelehnt: Jemand ärgert sich z.B., und anstatt ihn zu beruhigen, feuert man seinen Ärger nur noch mehr an, so dass er erst so richtig schön ausrastet (ähnlich Yosemite Sam). Oder jemand ist zwar eine Figur, mit der wir Zuschauer sympathisieren, aber eine total tolpatschige: Ich liebe es zu sehen, wie diese Figur noch mehr „gequält“ wird (Lee spricht ja hier gerne von „torturen“, was so viel bedeutet wie foltern oder quälen), indem ihr Counterpart vielleicht genau die eine Sache gut beherrscht, die sie nicht kann – aber total liebt.

Ein Beispiel: In einer Szene war die Vorgabe „angeln“. Der erste Spieler auf der Bühne entschied sich, eine glückliche Person zu spielen, er liebt das Angeln, aber er ist eine totale Niete darin, hat noch nicht einen einzigen Fisch gefangen (das allein schon sorgt bei mir für große Heiterkeit). Dann kommt eine zweite Figur dazu, die er dann als sein Vater definiert, und tortured ihn so richtig schön, was das für ein Piss-Tümpel sei, was für eine Kack-Angel, der Sohn sei eine Null und habe noch nie einen Fisch gefangen und überhaupt, er hat kein Mädchen und hatte wahrscheinlich auch noch nie eines weil er ja immerzu an diesem Piss-Tümpel hier hockt und keinen Fisch fängt. Der Vater-Charakter ist dementsprechend: Wütend, er hasst angeln – aber er ist natürlich total gut darin. Also nimmt er ein Mal die Angel an sich, wirft sie aus, und fängt innerhalb von keiner Minute den größten und schönsten Fisch, den man sich überhaupt vorstellen kann. Allein diese Szene ist derart großartig, dass ich mich weg schmeißen könnte! Die Person, die den Vater gespielt hat, hat diesen auch absolut hinreißend verkörpert, schön fies und den Sohn so richtig abfällig behandelnd. Und dann die Aktion mit dem Fisch: Als der Fisch gefangen ist, kriegt der Sohn es natürlich nicht gebacken, den Fisch zu erschlagen (stellt sich dabei noch ein bißchen doof an), und wirft ihn letztendlich wieder ins Wasser. Also ich finde das brüllend komisch und fühle mich unweigerlich an nahezu sämtliche Looney Tunes Cartoons erinnert, die ich als Kind gesehen habe.

Eine alternative Variante des „Torture-Games“ aus einer anderen Szene: Eine der Figuren auf der Bühne heult, aber anstatt, dass es existenziell ernst wird, ist die Situation brüllend komisch, weil die zweite Figur noch so richtig schön darauf herum hackt und den Traurigen nochmal und um so doller zum Heulen bringt. Der glückliche Hochstatus findet den depressiven Tiefstatus „so niedlich“, nimmt ihn also auch nicht richtig ernst mit seinem Leid, was es noch komischer macht. Überhaupt hat „der glückliche Hochstatus“, ein enorm großes Potential, den anderen so richtig schön zu quälen: Ähnlich von Foghorn Leghorn, der seine Cartoon-Partner regelmäßig mit seiner positiven, entspannten Attitüde zur Weißglut bringen kann (z.B. Yosemite Sam), treibt der glückliche Hochstatus seine Counter-Figur durch sein Selbst- und Weltvertrauen in den Wahnsinn – häufig, um am Ende zu scheitern, denn schließlich wollen wir normalerweise den Schwächeren, die Figur mit dem tieferen Status leiden und sich entwickeln sehen – denn mit dieser Figur können die meisten von uns sich einfach besser identifizieren. Der Unterschied zum Cartoon besteht hier für mich darin, dass beim Cartoon der Zynismus gewinnt, da dort häufig der unangenehme Hochstatus gewinnt, wie z.B. Pepé le Pew, der Roadrunner oder Tweetie. Schon immer ließ mich dies mit meinem „Ach menno!“-Gefühl zurück, das so weit ging, dass ich mir Roadrunner & Wile E. Coyote irgendwann nicht mehr ansehen konnte. Irgendwann soll der doch einfach diesen blöden Vogel mal fangen! Und schon fühle ich mich selber wieder ein bisschen wie Yosemite Sam.

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