Impro, my love

Mein Interview mit Maike Plath in der vergangen Woche hallt noch in mir nach. Ich merke, wie sehr das doch mein Herzensthema ist – das Verhältnis von Autorität und Freiheit. Und wie viel das für mich auch mit Impro zu tun hat bzw. damit, wie ich Impro verstehe, unterrichten, spielen und leben will! Ich sage manchmal zu meinen Teilnehmern, dass „nicht so schönes Impro“ ist, wenn man als Zuschauer das Gefühl hat, dass nicht die Figuren einen Status-Kampf auf der Bühne haben, sondern die Spielenden. Wenn ich als Zuschauer also merke, dass es in der Szene darum geht, wer die Definitionshoheit (oder m.a.W.: die Macht) hat, und das nichts Spielerisches mehr hat. Keith Johnstone sagte einmal in einem Workshop: „Improvisation should be an exhibition of good nature.“ („Improvisation sollte eine Darstellung von gutem Charakter sein.“ – und auch wenn Johnstone laut eigener Aussage es nicht mag, wenn man ihn zitiert – da muss er jetzt durch). Was er damit meint, oder, was ich verstehe, was er damit meint, ist, dass wir eben nicht den Status-Kampf der Spieler auf der Bühne sehen, sondern wirkliche Offenheit und Kooperation.

Und da muss ich an mein Gespräch mit Maike denken: Dass das, was wir in der Schule und leider auch in anderen Kontexten anerzogen bekommen, im Grunde ein permanenter Status-Kampf ist. Es geht permanent um die Resource „Aufmerksamkeit“ und „Anerkennung“, die wir alle haben wollen, und wir konkurrieren permanent um selbige. Gleichzeitig kämpfen wir um Dominanz und Deutungshoheit, darum, dass andere Leute Dinge tun, von denen wir wollen, dass sie sie tun (auch das hat Keith Johnstone bereits gut beobachtet und formuliert), ob nun mit Hoch- oder mit Tiefstatus-Verhalten. Das führt nicht nur zu Entfremdung, sondern auch zu einer gewissen Art von Vereinzelung und von Einsamkeit. Das „Sich-Öffnen“ wird zum Risiko, nämlich zum Risiko, dominiert oder verletzt zu werden, oder eben nicht die so dringend nötige Anerkennung zu bekommen und daran zu verzweifeln. Also sind alle mehr oder weniger permanent im „Schutz-Modus“ unterwegs (Ausnahmen bestätigen die Regel).

Aber was ist die Alternative? Maike hat es im Podcast bereits gesagt, bzw. findet es in dem Zitat von Renz-Polster Ausdruck, dass es eben nicht um „Macht und Überlegenheit“, sondern um „Vertrauen und Kooperation“ gehen sollte. Ich merke, dass alle meine Herzensthemen, für die ich mich in den letzten Jahren entflammt habe – ob man sie „psychologische Reife“ oder „psychische Gesundheit“ oder „Erwachsenen-Ich“ nennt – alle diese Begriffe und Konzepte m.E. ähnliche Dinge bezeichnen. In allen diesen Konzepten geht es darum, die Mechanismen von Autorität und Gehorsam, Macht und Überlegenheit durch Vertrauen und Kooperation zu ersetzen. Dass der andere nicht mehr erstmal „mein Feind“ ist (Keith Johnstone sagte auch hier: „Everybody is afraid of everybody“ – jeder hat erstmal vor jedem Angst), sondern ein Partner. Dass Unterschiedlichkeit und Diversität zählen und anerkannt werden, anstatt Grund für Zuschreibung und Ausgrenzung und die ungleiche Verteilung von Anerkennung sind. Psychologische Sicherheit und Vertrauen entstehen, wenn mensch sich in seiner Gesamtheit angenommen fühlt und nicht bewertet oder in Machtkämpfe verstrickt. Die „Beziehung auf Augenhöhe“, bei der eine halbwegs ausgeglichene „Status-Wippe“ herrscht, ist ja im Grunde genau das: ein agiler, flexibler bzw. spielerischer Umgang mit Status.

Und „Impro“ reiht sich für mich in die Reihe dieser o.g. Begriffe ein, weil wir hier das Gleiche versuchen, und zwar auf eine spielerische Art und Weise. Wir „tun erstmal so“, als ob wir offen und vertrauensvoll miteinander umgehen (indem wir den anderen und seine Angebote wahrnehmen, das Gegebene als Angebote akzeptieren, für Fehler nicht Schuld oder Verantwortlichkeit suchen) – das macht das Risiko kleiner, tatsächlich verletzt zu werden. Und gleichzeitig übt es eben genau dieses Verhalten. Das macht Impro für mich so toll.

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