Wie so häufig verhält es sich mit dem Thema „Klarheit“ im Impro ähnlich wie der zwischenmenschlichen Kommunikation im Alltag: Sie ist oft sehr hilfreich und ermöglicht mitunter ein größeres Maß an Freiheit, weil man bestimmte Dinge einfach aus dem Kopf nehmen kann, von denen man weiß, dass man sie so oder so sind bzw. gemacht werden.
Ein zentrales Merkmal des Improvisationstheaters ist es, dass es kein Richtig und kein Falsch gibt. Dieser Umstand erzeugt einen hohen Grad am Ambivalenz und Unsicherheit, mit dem man erst einmal umgehen muss. Viele von uns Menschen streben jedoch nach einem Zustand größtmöglicher Sicherheit und der Abwesenheit von Ambivalenzen. Das ist beim Impro-Theater nicht anders – darum sehen wir mitunter Szenen, die eine Weile brauchen, bis sie in Fahrt kommen, da die Leute sich erst vorsichtig „abtasten“ (wer bist Du und wer bin damit ich, was machen wir hier eigentlich, vielleicht, und worum könnte es jetzt gehen?).
Klarheit schafft in vielen Dingen oft ein größeres Maß an gefühlter Sicherheit, und sorgt damit dafür, dass Energiereserven, die möglicherweise in der Unsicherheit gebunden werden, für andere Dinge frei gesetzt werden können. Damit schafft Klarheit auf eine gewisse Weise auch ein höheres Maß an Freiheit und Handlungsspielräumen.
Gerade deshalb, also weil Impro nicht sicher ist und ein hohes Maß an Ambivalenz mitbringt, ist es m.E. hilfreich und sinnvoll, beim Impro nach größtmöglicher Klarheit in den Bereichen zu streben, wo es möglich ist, z.B. in spieltechnischen oder Format-bezogenen Dingen, in Abläufen oder in der Moderation.
– Auswahl der Showformate vor der Show: Was wollen wir spielen? In welcher Reihenfolge wollen wir es spielen? Als wir noch unsere ersten Auftritte hatten, haben wir sogar abgesprochen, wer welche Formate spielt.
– Absprachen einhalten: Wie spielen wir ein bestimmtes Format / ein bestimmtes Spiel? Spielen wir die „Freeze Tags“ mit Positionsübernahme oder ohne? Nehmen wir in ein „Pre-quel“ etwas Szenisches mit hinein oder ist es nur der kleine Rahmen für eine darauf folgende Szene? Singen wir heute, oder nicht? Vor der Show dazu getroffene Vereinbarungen in der Gruppe sollten, im Sinne größtmöglicher Klarheit, eingehalten werden; so hat man Kopf und Energien für andere Dinge frei.
– Klarheit beim „Rausklatschen“ von Spielern: Wenn sich ein Spieler von außen in eine Szene rein klatscht, sollte er dies von außen möglichst laut und deutlich machen, und die Spieler auf der Bühne in dem Moment einfrieren. Anschließend kann der rein kommende Spieler klar die Person antippen, die er oder sie ablösen möchte. Was ich häufig sehe: Jemand von außen rennt in eine Szene, klatscht, die beiden anderen spielen entweder trotzdem weiter oder rennen alternativ beide von der Bühne weil nicht klar gemacht wurde, wen der hereinkommende Spieler ersetzen möchte; der Effekt in beiden Fällen: Chaos.
– Wenn Du raus geklatscht wirst: friere sofort ein, wenn jemand klatscht; spiele nicht noch weiter und renne nicht unverzüglich raus; warte, ob Dich jemand antippt, um Dich raus zu schicken (s.o.)
– Klar machen, wenn man „fertig“ ist, indem man z.B. durch die Art, wie man etwas sagt, den anderen signalisiert „Hier setze ich jetzt einen Beat“, anstatt in einem undefinierten Redeteppich fortzufahren, bis jemand sich erbarmt, einen abzulösen.
– Aufgang / Abgang: Wenn das Licht aus geht, ist die Szene zu Ende; wenn man weiter spielt, zerfasert ein möglicherweise pointiertes Ende einer Szene und hinterlässt Verwirrung bei Zuschauern und Spielern. Respektiert die Entscheidungen von Lichtmann und Moderator und folgt ihnen!
– Wenn Du in eine bestehende Szene rein kommst, habe einen Grund oder ein Ziel (keinen vorgefertigten Ablauf oder eine Geschichte im Kopf); geh nicht einfach rein, nur weil Du auf der Bühne sein willst; das erzeugt Irritation im Zuschauerraum und bei Deinen Mitspielern; überlege Dir vorher gut: Brauchen die anderen Spieler auf der Bühne mich jetzt gerade, oder kommen sie auch ohne mich klar? Und gehe nur dann rein, wenn Du glaubst, dass die Szene durch Deine Figur gewinnt, oder wenn die anderen wirklich gerade Hilfe brauchen; das gleiche gilt übrigens auch für Passenger: Passenger sind eine schöne Sache, aber wenn unpassend oder zu dominant, erzeugen sie eher Irritation, als eine Szene auszustaffieren
Schafft man es, diese Dinge einzuhalten, ermöglicht dies m.E. ein größeres Maß an spielerischer Freiheit, weil die Ambivalenzen eingegrenzt werden – zumindest ist das bei mir so.
Wenn ein Ensemble gut eingespielt ist und aufmerksam aufeinander achtet, bietet es sich auch an, diese Absprachen irgendwann wieder etwas „zu lockern“, und bei Freeze Tags z.B. fließendere Übergänge zu machen. So lange dies jedoch nicht der Fall ist, bin ich ein Fan von größtmöglicher Klarheit in den Dingen, die Klarheit erlauben. Chaos bringt das Impro schon von sich aus genug mit 🙂
Pingback: Impro ist Kommunikation im Vergrößerungsglas - Claudia Hoppe
Für mich ist ganz klar: Deine Tipps hier sind sehr gut! Danke dafür! 🙂